§ 4 Einführung ins Recht der Aktiengesellschaft
I. Begriff der Aktiengesellschaft
- ist Kapitalgesellschaft: Grundkapital muss mindestens 50.000 Euro
betragen (§ 7 AktG).
- ist juristische Person (§ 1 Abs. 1 AktG).
- ist Handelsgesellschaft kraft Gesetzes (§ 3 Abs. 1 AktG)
- das deutsche Aktienrecht ist zudem gekennzeichnet durch die sogenannte
Satzungs-strenge: d.h. es gibt nur wenig Gestaltungsfreiheit
(§ 23 Abs. 5 AktG)
II. Zur Entwicklung des deutschen Aktienrechts
1. Oktroi-, Konzessions- und Normativsystem
Oktroisystem: die Rechtsstellung der Gesellschaft
wird durch einen – vom Souverän speziell erlassenen – Rechtsakt
geregelt, der regelmäßig auch Privilegien enthält
Konzessionssystem: es gibt allgemeine rechtliche
Regelungen, die für alle Gesellschaften gelten; die Errichtung
der einzelnen AG und spätere Satzungsänderungen bedürfen
aber der Bestätigung durch staatliche Behörden, deren
Ermessen in Deutschland (Mitte des 19. Jahrhunderts) nicht gebunden
ist
Normativsystem: die AG erlangen die Rechtsfähigkeit
mit Eintragung in ein Register, worauf sie – bei Erfüllung
der normativ bestimmten Voraussetzungen – einen Anspruch haben
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2. Entstehung der Grundlagen des modernen Aktienrechts
(ca. 1840 – 1900)
- mit dem einsetzenden Eisenbahnbau entstehen ab ca. 1840 auch in den
deutschen Einzelstaaten (insb. in Preußen und Sachsen) Aktiengesellschaften
in größerer Zahl
- das erste deutsche Aktiengesetz ergeht 1843 in Preußen, ab 1861
ist das Aktienrecht dann (weitgehend einheitlich für alle Einzelstaaten)
im ADHGB geregelt, das grundsätzlich am Konzessionssystem festhält
- allerdings erlaubt das ADHGB den Einzelstaaten, auf das Konzessionserfordernis
zu verzichten ® als erster deutscher
Staat macht 1862 das Großherzogtum Baden hiervon Gebrauch ®
die beiden Einzelstaaten, in denen es damals die meisten Aktiengesellschaften
gibt (Preußen, Königreich Sachsen) behalten das Konzessionserfordernis
zunächst aber bei
- gerade in Preußen und Sachsen sollen die Konzessionsbehörden
zudem die Geschäftsführung der Unternehmen beaufsichtigen
® bei der ständig steigenden Anzahl
von AG-Gründungen sind die staatlichen Behörden hiermit schließlich
völlig überfordert ® das Konzessionssystem
bricht quasi zusammen
- die 1. Aktiennovelle vom 11.6.1870 hebt das Konzessionssystem dann
endgültig auf; Übergang zum Normativsystem (das Gesetz regelt
die Gründung einer AG allerdings nur mit wenigen Bestimmungen,
die leicht umgangen werden können)
- 1871 – 1873 starker Anstieg der AG-Gründungen; ab Mitte 1873
dann Zusammenbruch vieler Gesellschaften ®
dieser "Gründerkrach" hat kaum vorstellbare Ausmaße: allein
am 8.5.1873 erklären sich in Wien 78 börsennotierte Gesellschaften
für bankrott
- die große Krise regt Fundamentalkritik ("Abschaffung der Aktiengesellschaft")
und Reformbestrebungen an, welche 1884 zur Verabschiedung der 2. Aktiennovelle
führen (gilt als "Geburtsstunde" des modernen deutschen Aktienrechts):
Gründung und Organisation der AG wird detaillierter und strenger
geregelt, Rechte der Aktionäre werden ausgebaut
- mit dem Inkrafttreten des GmbHG (1892) steht der Wirtschaft eine zweite
(einfachere) Kapitalgesellschafts-Rechtsform zur Verfügung ®
die typische Aktiengesellschaft ist fortan immer häufiger börsennotiert
und Trägers eines Großunternehmen
3. Weitere Entwicklung bis zum Aktiengesetz von 1965
- nach 1900 beginnt die Rechtsprechung Aktionärs- und Minderheitenrechte
einzuschränken; im rechtswissenschaftlichen Schrifttum gewinnen
auf das "Unternehmen-an-sich" ausgerichtete Überlegungen Anhänger
- in den 20er Jahren Reformdiskussion, die von Wirtschaftsanwälten
(insb. Max Hachenburg) geprägt wird und wesentlich darauf
abzielt, das Aktienrecht an die faktischen Zustände heranzuführen
- nach dem Zusammenbruch der deutschen Großbanken und anderer
bedeutender Unternehmen werden im September 1931 einzelne Teile des
Reformentwurfes auf dem Wege sog. Notverordnungen in Kraft gesetzt ®
bewirken weitere Verschärfung des Aktienrechts (erneut wird das
deutsche Aktienrecht unmittelbar aus den Erfahrungen einer schweren
Krise heraus fortentwickelt)
- 1937 wird neues Aktiengesetz verabschiedet ®
baut zu wesentlichen Teilen auf der Reformdiskussion der 20er Jahre
aus ® gekennzeichnet wird die Organisation
der AG nun insb. durch das sog. "Führerprinzip" im Aktienrecht
- § 70 AktG-1937
- Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung
die Gesellschaft so zu leiten, wie das Wohl des Betriebs und seiner
Gesellschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern.
- Der Vorstand kann aus einer oder mehreren Personen
bestehen. Ist ein Vorstandsmitglied zum Vorsitzer des Vorstand
ernannt, so entscheidet dieser, wenn die Satzung nichts anderes
bestimmt, bei Meinungsverschiedenheiten im Vorstand.
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- nach der Gründung der Bundesrepublik werden die Aktiengesellschaften
der unternehmerischen Mitbestimmung unterstellt
- erneute Reformdiskussion führt zur Verabschiedung des Aktiengesetzes
vom 6.9.1965
- in den letzten Jahren jeweils mehrere Änderungen des Aktiengesetzes
pro Jahr
III. Europäische Rechtsangleichung
- Überblick über die gesellschaftsrechtlichen Richtlinien
der EU (detaillierte Aufstellung von Wiesner in BB 2001, Beilage
8 zu Heft 44); siehe zudem die Mitteilung der EU-Kommission vom 21.5.2003
"Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate
Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan" (im Internet
abrufbar)
Nr.
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Bezeichnung
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Umsetzung
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1
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Publizitätsrichtlinie v. 9.3.1968
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Durchführungsgesetz in Kraft
seit 1.9.1969
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2
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Kapitalrichtlinie v. 13.12.1976
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Durchführungsgesetz in Kraft
seit 1.7.1979
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3
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Interne Fusionsrichtlinie v. 20.10.1978
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Durchführungsgesetz in Kraft
seit 1.1.1983
(heute im Umwandlungsgesetz v. 1994)
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4
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Bilanzrichtlinie v. 25.7.1978
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Bilanzrichtliniengesetz v. 19.12.1985
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5
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Strukturrichtlinie (mehrere Vorschläge)
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6
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Spaltungsrichtlinie v. 17.12.1982
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Umwandlungsgesetz v. 28.10.1994
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7
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Konzernabschlussrichtlinie v. 16.5.1983
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Bilanzrichtliniengesetz v. 19.12.1985
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8
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Abschlussprüfungsrichtlinie
v. 10.4.1984
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Bilanzrichtliniengesetz v. 19.12.1985
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9
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Konzernrechtsrichtlinie (Entwurf
v. 1985)
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10
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Internationale Fusionsrichtlinie
(Vorschlag v. 1985)
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11
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Richtlinie über die Offenlegung
von Zweigniederlassungen v. 22.12.1989
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Umgesetzt durch Gesetz v. 22.7.1993
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12
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Richtlinie über die Zulässigkeit
der Einmann-GmbH v. 22.12.1989
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Durchführungsgesetz v. 18.12.1991
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13
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Übernahmerichtlinie (mehrfach
geänderter Vorschlag – am 4.7.2001 im Plenum des Europäischen
Parlaments gescheitert) – neuer Vorschlag der Kommission v. 2.10.2002
(ZIP 2002, 1863ff.)
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14
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Richtlinie über die grenzüberschreitende
Sitzverlegung (Vorentwurf)
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15
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Liquidationsrichtlinie (Vorentwurf)
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