Ruprecht-Karls-Universitδt Heidelberg
 

1. Klausur - Lösungsvorschlag

Aufgabe I: Ansprüche des A gegen H aus der Garantie

1. Auslegung der Garantie-Erklärung

Der Begriff "Garantie" wird von den Vorschriften des neuen BGB-Schuldrechts nicht einheitlich gebraucht. Zur Bestimmung der Rechte des A aus der "Garantie" ist es deshalb zunächst erforderlich, diese Erklärung näher auszulegen. Im konkreten Fall ist die Garantieerklärung vom Hersteller H abgegeben worden. H will über einen Zeitraum von drei Jahren für die Material- und Fabrikationsfehlerfreiheit des Rekorders einstehen. Es handelt sich deshalb um eine Haltbarkeitsgarantie i.S.d. §§ 443, 477, denn H garantiert, dass der Rekorder für eine bestimmte Dauer eine bestimmte Beschaffenheit (Mangelfreiheit) behält. Da H nicht Partner des Kaufvertrags ist, treten die möglichen Rechte und Verbindlichkeiten aus der Garantie neben das Kaufvertragsverhältnis; es liegt mithin eine sog. selbständige Haltbarkeitsgarantie des Herstellers vor.

2. Wirksamer Kaufvertrag zwischen A und B?

Obwohl die Rechte aus einer selbständigen Haltbarkeitsgarantie grundsätzlich unabhängig von den Mängelrechte des Käufers aus dem Kaufvertrag bestehen, setzt die Wirksamkeit einer solchen Garantiezusage regelmäßig die Wirksamkeit des Kaufvertrages voraus (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 240; Anwaltkommentar-Schuldrecht/Büdenbender, § 443 Rdn. 3; Palandt/Putzo, 61. Aufl. Ergänzungsband, § 443 Rdn. 16). Der Erklärung des H lassen sich insoweit keine Hinweise auf einen abweichenden Inhalt der konkreten Garantieerklärung entnehmen; im Gegenteil: Ausdrücklich wird bestimmt, die Garantiezeit beginne "mit dem Kauf des Rekorders" zu laufen. Mögliche Rechte des A aus der Garantieerklärung gegen H setzen mithin zunächst einen wirksamen Kaufvertrag zwischen A und B voraus. Nach den Angaben des Sachverhalts kann allerdings vom Bestehen eines wirksamen Kaufvertrages zwischen A und B ausgegangen werden.

3. Erfüllung der Anforderungen aus § 477?

Allerdings könnte die Garantiezusage des H gegen die Vorschrift des § 477 verstoßen und deshalb unwirksam sein.

a) Die Anwendung der Vorschrift des § 477 setzt voraus, dass es sich bei dem zwischen A und B abgeschlossenen Vertrag um einen sog. Verbrauchsgüterkauf i.S.d. § 474 Abs. 1 handelt. Die Voraussetzungen des § 474 liegen vor: Der Student A handelt offensichtlich als Verbraucher (§ 13), B veräußert den Rekorder in Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit (§ 14 Abs. 1) und schließlich ist das Gerät unzweifelhaft eine bewegliche Sache.

b) Garantieerklärungen, die gegenüber Verbrauchern Verwendung finden, müssen gemäss § 477 Abs. 1 Nr. 1 insbesondere einen Hinweis auf die gesetzlichen Mängelhaftungs-Rechte des Verbrauchers enthalten, sowie ferner explizit erläutern, dass diese Rechte durch die Garantie nicht eingeschränkt werden. Die Garantieerklärung des H enthält keine derartigen Hinweise; sie verstößt also eindeutig gegen § 477 Abs. 1.

c) Allerdings berührt ein Verstoß gegen § 477 Abs. 1 nicht die Wirksamkeit der Garantieverpflichtung als solche (§ 477 Abs. 3). A wäre deshalb wegen § 477 daran nicht gehindert, mögliche Rechte aus der Garantie gegen H geltend zu machen.

4. Wirkung der Haltbarkeitsgarantie – mögliche Rechte aus der Garantiezusage

Nach der Garantieerklärung des H soll die Garantiezeit mit dem Kauf des Rekorders beginnen – im konkreten Fall mithin am 3.6.2002 – und für einen Zeitraum von drei Jahren gelten. Da die Schäden am Rekorder den Angaben des Sachverhalts zufolge nach dem Kauf aber vor Ablauf der Dreijahres-Frist aufgetreten sind, greift grundsätzlich die Vermutungsregel des § 443 Abs. 2 ein: Vermutet wird, dass ein während der Geltungsdauer der Garantie auftretender Sachmangel die Rechte aus der Garantie begründet. Im konkreten Fall könnte A deshalb berechtigt sein, von H eine Reparatur des Rekorders oder die Zusendung eines neuen Geräts zu verlangen. Allerdings will sich H nach dem Wortlaut der Garantieerklärung offenbar die Auswahl zwischen Mängelbeseitigung und Ersatzlieferung vorbehalten, während nach § 439 Abs. 1 dieses Wahlrecht dem Käufer zusteht. Im Rahmen einer selbständigen Haltbarkeitsgarantie ist jedoch zulässig, eine von § 439 Abs. 1 abweichende Regelung zu treffen; da eine solche Garantie freiwillig abgegeben wird, soll ihre neue Ausgestaltung nach Ansicht des Gesetzgebers der Privatautonomie unterliegen (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 238 f.).

5. Konkreter Mangel von sachlicher Reichweite der Garantie erfasst?

Fraglos handelt es sich bei dem mehrfach gebrochenen Gehäuse des Rekorders um eine Abweichung von der (zwischen A und B) vereinbarten Beschaffenheit, mithin um einen Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1. Die Frage, ob dieser Sachmangel auch bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat, kann vorerst dahinstehen (hierzu unter Aufgabe II ....), weil der Mangel jedenfalls während der Laufzeit der Garantie aufgetreten ist (vgl. unter 4.).

Dennoch ist zweifelhaft, ob hinsichtlich des Gehäuseschadens die Vermutungsregel des § 443 Abs. 2 tatsächlich greift: H gewährt nämlich lediglich eine Garantie für die Material- und Fabrikationsfehlerfreiheit des Rekorders. Die Rechte aus der Garantie sollen dem Käufer demnach nur bei Material- und Fabrikationsfehlern zustehen. Eine solche Beschränkung ist wegen der bei selbständigen Haltbarkeitsgarantien bestehenden privatautonomen Gestaltungsfreiheit gewiss generell zulässig und macht auch in der Sache Sinn, weil gerade derartige Fehler der Risikosphäre des Herstellers zuzurechnen sind. Da B vorbringt, er habe den Rekorder nachweisbar unbeschädigt an den Z übergeben, sind die Gehäuseschäden offenbar auf dem Transport entstanden. Transportschäden werden von der Reichweite der konkreten Garantiezusage aber nicht erfasst.

H könnte demnach einwenden, der konkrete Fehler liege außerhalb der Reichweite der Garantie, löse mithin gar nicht erst die Vermutungswirkung des § 443 Abs. 2 BGB aus. A müsste dann nachweisen, dass die geltend gemachte Beanstandung (also der Gehäusebruch) von den angegebenen Garantiebedingungen überhaupt erfasst wird (vgl. Palandt/Putzo, § 443 Rdn. 24). Ein derartiger Beweis dürfte dem A nicht gelingen.

6. Ergebnis
A stehen wegen der Gehäuseschäden gegen H keine Rechte aus der selbständigen Haltbarkeitsgarantie zu. Dahingestellt kann daher bleiben, ob A tatsächlich zu raten gewesen wäre, lediglich Rechte aus der Garantie und nicht aus dem Kaufvertrag auszuüben.

 

Aufgabe II: Ansprüche des B gegen A auf Bezahlung des Kaufpreises & Ersatz von 25 €

A. Kaufpreisanspruch in Höhe von 300 € gem. § 433 Abs. 2

1. Anspruch entstanden?

A und B haben am 3.6.2002 einen wirksamen Kaufvertrag über den Erwerb eines "Erzwo D II" geschlossen (vgl. Aufgabe I, unter 2.). Dadurch ist zugunsten des B ein Kaufpreisanspruch gem. § 433 Abs. 2 in Höhe von 300 € entstanden. Für das Vorliegen von rechtsvernichtenden Einwendungen (z.B. Erfüllung des Kaufpreisanspruches gem. § 362) ergeben sich aus dem Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte, so dass der Anspruch auch nicht wieder weggefallen ist.

2. Anspruch durchsetzbar?

Fraglich ist allerdings, ob B seinen Kaufpreisanspruch gegenüber A auch durchsetzten kann. Vorstellbar ist, dass A dem Verlangen des B unter Hinweis auf das gebrochene Gehäuse des "Erzwo D II" die Einrede des nichterfüllten Vertrages gem. § 320 Abs. 1 S. 1 entgegenhält.

2.1. Voraussetzungen der Einrede des § 320 Abs. 1 S. 1

a) Anwendbarkeit des § 320: Gegenseitigkeitsverhältnis

Neben einem wirksamen Vertrag, der hier mit dem Kaufvertrag zwischen A und B gegeben ist, setzt § 320 Abs. 1 S. 1 ein sog. Gegenseitigkeitsverhältnis voraus: Gemeint ist damit nicht nur, dass es sich bei dem Vertrag allgemein um einen gegenseitigen Vertrag handelt. Vielmehr müssen sich gerade diejenigen Vertragspflichten, auf denen die geltend gemachten Forderungen beruhen, im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Im vorliegenden Fall sind dies die Pflicht zur Kaufpreiszahlung und die Pflicht zur mangelfreien Lieferung der Kaufsache. Letztere ist jetzt in § 433 Abs. 1 S. 2 normiert. Der Gesetzgeber hat also die Pflicht zur mangelfreien Lieferung zu einer Hauptleistungspflicht des Verkäufers erhoben und damit eine synallagmatische Verknüpfung mit der Kaufpreiszahlungspflicht des Käufers nach § 433 Abs. 2 hergestellt. Die sog. Mängeleinrede ist folglich unter dem neuen Recht nichts anderes als eine Einrede des nichterfüllten Vertrages und damit auf § 320 Abs. 1 S. 1 zu stützen.

b) Wirksame Gegenforderung

Eine Berufung auf § 320 ist aber nur dann möglich, wenn tatsächlich gegen die entsprechende Hauptleistungspflicht verstoßen wurde und dem Vertragspartner, der die Einrede erheben will, deswegen eine wirksame Gegenforderung zusteht. Als Gegenforderung kommt im vorliegenden Fall ein Anspruch des A gegen B auf Nacherfüllung gem. §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 in Betracht.

aa) Sachmangel gem. § 434

Der Nacherfüllungsanspruch des Käufers setzt lediglich einen wirksamen Kaufvertrag (dazu unter 1.) sowie das Vorliegen eines Sachmangel im Sinne des § 434 voraus. Das gebrochene Gehäuse stellt gewiss eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit des Videorekorders dar (§ 434 Abs. 1 Satz 1).

bb) Bei Gefahrübergang

Allerdings stellt § 434 Abs. 1 S. 1 hinsichtlich der Frage nach der Mangelfreiheit auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs ab: entsteht ein Mangel erst nach Gefahrübergang, ist die Kaufsache dennoch mangelfrei im Sinne des § 434. Der Gehäuseschaden des "Erzwo D II" ist offensichtlich während des Transports von Mannheim nach Heidelberg entstanden. Zu prüfen ist daher, ob die Gefahr nicht schon vorher von B auf A übergegangen ist.

Gem. § 446 ist bei Kaufverträgen hinsichtlich des Gefahrübergangs grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache an den Käufer abzustellen. Im vorliegenden Fall wäre dies am 04.06 mit der Übergabe des Videorekorders vom Zustellungsdienst Z an A in dessen Heidelberger Wohnung der Fall gewesen.

Jedoch erfolgte die Versendung vom Geschäft des B – dem Erfüllungsort gem. § 269 Abs. 2 – an die Heidelberger Adresse des A auf dessen Verlangen. Es handelt sich daher um einen Versendungskauf im Sinne des § 447. Rechtsfolge der Vorschrift ist, dass die Gefahr bereits mit Übergabe der Kaufsache an die Transportperson – hier also von B an Z in Mannheim – übergeht. Zu diesem Zeitpunkt war das Gehäuse aber offenbar noch intakt und der Videorekorder wäre damit mangelfrei im Sinne des § 434. Falls die Regelung des § 447 zur Anwendung gelangt, hilft dem A auch eine mögliche Beweislastumkehr nach § 476 nicht: B könnte nämlich beweisen, dass der Schaden erst auf dem Transport eingetreten ist und somit die Vermutung des § 476 ("Gehäuse war schon vor Übergabe B an Z gebrochen") widerlegen.

Die ausnahmsweise Vorverlegung des Gefahrübergangs beim Versendungskaufs gem. § 447 ist allerdings nach § 474 Abs. 2 hier nicht anwendbar, da es sich beim Geschäft zwischen A und B um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 Abs. 1 handelt (vgl. Lösung zu Aufgabe I, unter 3.) Folglich bleibt es beim Gefahrübergangszeitpunkt des § 446.

c) Zwischenergebnis

Da Rekorder demnach zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs mit einem Mangel behaftet gewesen ist, hat A gegen B einen wirksamen Nacherfüllungsanspruch gem. §§ 437 Nr. 1, 439. Dieser wirksame Nacherfüllungsanspruch gewährt dem A an sich eine Einrede aus § 320, die er dem Kaufpreisanspruch des B entgegenhalten könnte.

2.2. Einredemöglichkeit wegen Annahmeverzugs des A entfallen?

Allerdings hat sich B gegenüber A bereits mehrfach zur Nacherfüllung bereit erklärt. Hierdurch könnte A in Annahmeverzug (§ 293) geraten sein; was wiederum zum Wegfall der Einredemöglichkeit aus § 320 gesorgt haben könnte.

Unter der Geltung des alten Schuldrechts ist jedoch von der ganz h.M. die Ansicht vertreten worden, der Umstand, dass sich der Gläubiger der Gegenforderung (hier also der A) in Annahmeverzug befinde, schließe allein die Einrede des § 320 nicht aus, weil durch den Annahmeverzug die Verknüpfung der beiderseitigen Leistungspflichten nicht aufgehoben werde. Der Annahmeverzug habe statt dessen lediglich prozessuale Auswirkungen. (Zwangsvollstreckung trotz bloßer Zug-um-Zug-Verurteilung; vgl. §§ 726 Abs. 2, 757, 765 ZPO). Folgt man dieser Ansicht für das neue Kaufrecht so entfällt die Einredemöglichkeit des A nicht schon allein deswegen, weil sich A möglicherweise in Annahmeverzug befindet.

2.3. Ungeschriebenes Merkmal: Eigene Vertragstreue des Schuldners

Jedoch ist § 320 nicht anwendbar, wenn sich der – auf die Einrede berufende – Vertragspartner selbst nicht vertragstreu verhält (vgl. hierzu z.B. Staudinger/Otto, 13. Bearb. 1995, § 320, Rdn. 36 ff.). § 320 soll gerade der Durchführung eines Vertrages dienen; konsequent kann sich ein Partner, der die Vertragsdurchführung zu verhindern sucht, nicht auf § 320 berufen.

Die Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechts und die gleichzeitige endgültige Ablehnung der Annahme der Gegenleistung sind daher unvereinbar. Im vorliegenden Fall ging das Verhalten des A erheblich über einen bloßen Annahmeverzug hinaus: A hat auf den Brief des B nicht geantwortet, im Telefonat am 06.06 die Nacherfüllung des B abgelehnt und schließlich am 07.06 den erfüllungsbereiten C an der Wohnungstür abgewiesen. Damit hat A, der ja zunächst die Mangelhaftigkeit der Kaufsache geltend gemacht und damit für einen fälligen Nacherfüllungsanspruch gesorgt hat, später gegenüber B den Eindruck erweckt, dass er an einer weiteren Vertragsdurchführung – also der Nacherfüllung durch B – kein Interesse mehr hat. Wegen fehlender Vertragstreue ist dem A damit eine Berufung auf die Einrede des § 320 verwehrt.

(Anmerkung: Das Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung setzt zwar voraus, dass der Käufer die Mangelhaftigkeit der Kaufsache geltend macht. Auch unter dem neuen Schuldrecht ist der Käufer selbstverständlich nicht verpflichtet, Mängel der Kaufsache tatsächlich geltend zu machen. Er kann hiervon z.B. absehen, wenn ihm ein Mangel als geringfügig oder die Geltendmachung der Mängel als zu aufwendig erscheint. Er muss dann allerdings auch den unverkürzten Kaufpreis bezahlen. Erst wenn er dem Verkäufer gegenüber die Mangelhaftigkeit der Kaufsache geltend macht, erhält dieser ein Recht zur zweiten Andienung, um weitergehende Ansprüche des Käufers abzuwehren – dies Recht ist also in der Sache eine Abwendungsbefugnis; hierzu Schubel, ZIP 1994, 1330, 1339. Mit der Geltendmachung der Mängel durch den Käufer werden demnach die beiderseitigen Vertragspflichten erheblich modifiziert: Für den Käufer entsteht grundsätzlich die Verpflichtung, dem Verkäufer eine Nacherfüllung zu gestattet. Verwehrt er die Nacherfüllung unberechtigt, so verletzt er wesentliche Pflichten des modifizierten Vertragsverhältnisses und verhält sich deshalb nicht vertragstreu. Bei hartnäckiger Vertragsuntreue sollte es ihm nicht möglich sein, sich gegenüber einem fälligen Kaufpreisanspruch über § 320 auf die Mangelhaftigkeit der Kaufsache zu berufen.)

3. Ergebnis

B hat also gegen A einen durchsetzbaren Anspruch gem. § 433 Abs. 2 auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 300 €.

B. Anspruch auf Ersatz der Fahrtkosten in Höhe von 25 € gem. § 304

1. Voraussetzungen des § 304 – Annahmeverzug des Gläubigers

B könnte gemäss § 304 den Ersatz von Mehraufwendungen für das erfolglose (Nacherfüllungs-)Angebot verlangen, falls sich A im Annahmeverzug im Sinne der §§ 293 ff. befindet.

a) Die erste Voraussetzung des Annahmeverzugs – das Vorliegen eines erfüllbaren Anspruchs – ist gegeben: der Nacherfüllungsanspruch des Käufers nach den §§ 437 Nr. 1, 439 wird grundsätzlich mit der Geltendmachung des Mangels fällig und erfüllbar (§ 271 Abs. 1). Die Tatsache, dass A sein Wahlrecht aus § 439 Abs. 1 noch nicht ausgeübt hat, hindert generell wohl nicht die Fälligkeit des Nacherfüllungsanspruchs, zumal B im konkreten Fall ja zur Erfüllung jeder der beiden Nacherfüllungsvarianten bereit ist.

b) Weiterhin müsste A die Nacherfüllung gem. §§ 294 ff. ordnungsgemäß angeboten haben.

aa) Nach § 295 S. 1 genügt ein wörtliches Angebot, wenn der Gläubiger zuvor die Annahme verweigert hat. Der Brief des B vom 04.06 stellt demzufolge kein Angebot im Sinne des § 295 dar, da A zu diesem Zeitpunkt die Annahme der Nacherfüllung (noch) nicht verweigert hat. A widerspricht dem Nacherfüllungsangebot des B erst im Telefonat am 06.06. Fraglich ist jedoch, ob mit diesem Widersprechen tatsächlich schon den Anforderungen des § 295 Genüge getan wird, da die Annahmeverweigerung lediglich gleichzeitig, aber nicht vor dem Angebot erfolgt (nach dem genauen Wortlaut des Sachverhalts geht das erneute Angebot des B sogar der Annahmeverweigerung voraus).

bb) Die Frage, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 295 schon mit dem Telefonat vom 6.6. erfüllt worden sind, kann letztlich dahinstehen: Unzweifelhaft findet nämlich ein – den Gläubigerverzug (endgültig) auslösendes – Angebot am 07.06 statt, als C im Auftrag des B die Leistung gemäß § 294 tatsächlich und in rechter Art und Weise (und zwar in jeder der beiden Nacherfüllungsalternativen) dem A anbietet. A weist den C ab, nimmt die Nacherfüllung nicht an. A befindet sich daher (spätestens) seit dem 07.06. im Annahmeverzug.

2. Rechtsfolgen des § 304 – Ersatz der 25 €

B erhält die Fahrkosten in Höhe von 25 € dann ersetzt, wenn es sich dabei um objektiv erforderliche Mehraufwendungen für sein erfolgloses Angebot handelte. Dies erscheint fraglich, wenn man davon ausgeht, dass B gem. § 439 Abs. 2 die Fahrtkosten ohnehin als Nacherfüllungskosten zu tragen gehabt hätte und sie insoweit keine Mehraufwendungen darstellten. Es ist aber zu berücksichtigen, dass der Nacherfüllungsanspruch des A durch das erfolglose Angebot des B nicht untergeht: B bleibt also weiterhin zur Nacherfüllung nach den §§ 437 Nr. 1, 439 verpflichtet und hat deshalb gem. § 439 Abs. 2 die Kosten für einen weiteren Nacherfüllungsversuch zu tragen. Unter diesem Gesichtspunkt sind die Kosten für den ersten, erfolglosen Nacherfüllungsversuch als Mehraufwendungen im Sinne des § 304 aufzufassen. Diese waren – zumindest aus Sicht des B – auch erforderlich, da A erst durch das tatsächliche Angebot in Annahmeverzug zu versetzt wurde. B hat also gegenüber A einen Anspruch auf Ersatz der 25 € Fahrtkosten aus § 304.

 

C. Anspruch auf Ersatz der Fahrtkosten in Höhe von 25 € gem. §§ 280 I, II; 286 I

1. Gem. § 433 Abs. 2 a.E. ist der Käufer zur Abnahme der Kaufsache verpflichtet. Hierbei geht es um eine Nebenleistungspflicht, bei dessen Nichterfüllung der Käufer in Schuldnerverzug geraten kann. Da es sich bei dem Nacherfüllungsanspruch des § 439 um den ursprünglichen Erfüllungsanspruch in lediglich modifizierter Form handelt, gilt hier § 433 Abs. 2, sofern der Käufer die Nacherfüllung geltend gemacht hat. Als A am 4.6. telefonisch die Mangelhaftigkeit des Videorekorders rügt entsteht ein fälliger Nacherfüllungsanspruch, wobei A zur Annahme der Nacherfüllung verpflichtet ist (vgl. auch die Anmerkung unter A.2.3.). Der Anspruch auf Abnahme ist auch fällig und durchsetzbar. Die erforderliche Mahnung erfolgte mit dem Telefonat am 06.06. Aufgrund der Nichtannahme durch A liegt auch eine Nichtleistung vor. A verwehrt ganz bewusst und gezielt die Annahme der Nacherfüllung und hat deshalb seine Nichtleistung zu vertreten (§ 276). Da sich A mithin im Schuldnerverzug gem. § 286 befindet hat B grundsätzlich einen Anspruch auf Verzögerungsschadensersatz gem. §§ 280 I, II.

2. Der Verzögerungsschaden umfasst auch die 25 €: Zwar hätte B diese Kosten bei ordnungsgemäßer Abnahme gem. § 439 Abs. 2 als Nacherfüllungsaufwand tragen müssen. Da aber nicht wirklich nacherfüllt worden ist, sieht sich B weiterhin einem Nacherfüllungsanspruch des A ausgesetzt. Sofern der Vertrag weiter durchgeführt wird, muss B nach § 439 Abs. 2 die Kosten des erneuten Nacherfüllungsversuchs übernehmen. Diese werden nämlich aller Wahrscheinlichkeit nach erheblich höher liegen als die bloßen Fahrtkosten beim ersten Versuch (hinzu kommen ja noch die Reparaturkosten bzw. die Kosten für ein neues Gerät).

Geht man dagegen davon aus, dass B von A nur die Kosten für den zweiten Versuch (bei ordnungsgemäßer Abnahme beim ersten Mal wären diese nicht entstanden) ersetzt verlangen kann, so wären von diesem Betrag (25 € + x) diejenigen Kosten abzuziehen, die B auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung beim ersten Versuch entstanden wären (x = sog. "sowieso-Kosten"). Es bliebe also betragsmäßig bei einem Anspruch in Höhe der Fahrtkosten von 25 €.

Aufgabe III

1. Beschränkung des Nacherfüllungsanspruchs des A auf Nachbesserung?

A steht wegen der Gehäuseschäden gegen den B ein Nacherfüllungsanspruch gemäss §§ 437 Nr. 1, 439 zu; dieser Anspruch ist allein wegen des bisherigen Verhaltens des A nicht untergegangen. Gemäss § 439 Abs. 1 ist A berechtigt, zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung auszuwählen; dieses Wahlrecht hat er bislang – trotz wiederholter Nachfrage des B – nicht ausgeübt. Dem Gesetz können keine Hinweise darauf entnommen werden, dass sich der Nacherfüllungsanspruch "automatisch" auf die Nachbesserungsalternative beschränkt, falls der Käufer sein Wahlrecht nicht ausübt.

Nicht von Vornherein ausgeschlossen erscheint es, dass der Verkäufer in einen solchen Fall für einen Übergang des Wahlrecht sorgen könnte (Argumentiert werde könnte, auf diese Weise ließe sich eine "Blockade" durch den Käufer überwinden.). Dennoch erscheint es fraglich, ob ein solcher Ansatz bei einer Richtlinien-konformen Auslegung des § 439 Abs. 1 Bestand haben kann; immerhin misst die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie dem Käuferwahlrecht ganz offenbar erhebliche Bedeutung bei (vgl. insb. Art. 3 Abs. 2 und 3). Zudem ist es möglich, die berechtigten Interessen des Verkäufers auch ohne einen solchen Übergang des Wahlrechts angemessen zu berücksichtigen (vgl. allgemein die Lösung zu Aufgabe II).

2. Transportorganisation und -kosten

A kann nicht verlangen, dass B in Heidelberg nacherfüllt: Der Ort der Nacherfüllung richtet sich gemäss §§ 269 Abs. 1, 242 nach den konkreten Umständen und der Verkehrssitte (vgl. Soergel/Huber, Komm. z. BGB, 12. Aufl. 1991, § 476a Rdn. 15); da A den Rekorder im Mannheimer Geschäft des B erworben hat und B keinen besonderen "Vor-Ort-Service" versprochen hat, wäre hier Mannheim Nacherfüllungsort.

Umgekehrt kann B aber auch nicht verlangen, dass A (höchstpersönlich) den Rekorder nach Mannheim schafft und ihn nach der Reparatur von dort wieder abholt. A ist gewiss berechtigt, den Rekorder einzuschicken. B wäre dann wohl nach der Reparatur zur Rücksendung verpflichtet. Ohnehin hat B gem. § 439 Abs. 2 die Kosten des Transports von Heidelberg nach Mannheim und zurück zu tragen. Bringt A den Rekorder selbst in das Geschäft des B, hat B dem A die dabei entstehenden Kosten (nicht allerdings den damit verbundenen Zeitaufwand) zu ersetzen (vgl. Soergel/ Huber, § 476a Rdn. 15).

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