Ruprecht-Karls-Universitδt Heidelberg
 

Lösung der 1. Hausarbeit

Vorbemerkung:

Das wesentliche Ziel der Hausarbeit bestand darin, die Bearbeiter zu veranlassen, sich mit zentralen Regelungen des neuen Kaufrechts zu beschäftigen. Erarbeitet werden sollte dabei insbesondere die Erkenntnis, dass die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien eines Kaufvertrages häufig nicht mehr "isoliert" (d.h.: lediglich nach dem Regelwerk dieses Vertrages) betrachtet werden dürfen, sondern es statt dessen eines über das einzelne Vertragsverhältnis hinausreichenden Bearbeitungsansatzes bedarf.

Aufgabe 1: Ansprüche des E gegen G

I. Anwendbares Recht

1. Zum Problem

Beim Abschluss des Kaufvertrages über den Aktenschrank, an dessen grundsätzlicher Wirksamkeit nach den Angaben des Sachverhalts nicht zu zweifeln ist, handeln sowohl der G als auch der E als Unternehmer i.S.v. § 14 Abs. 1: G veräußert den Schrank im Rahmen seines Büromöbel-Großhandels und E erwirbt den Schrank, um ihn in Ausübung seines Möbeleinzelhandels weiterzuveräußern. Seit dem 1.1.2002 unterstehen Kaufverträge, welche zwischen Unternehmen abgeschlossen werden, unterschiedlichen gesetzlichen Bestimmungen: Generell finden auf diese Verträge die allgemeinen Vorschriften der §§ 433 ff. BGB Anwendung (regelmäßig ergänzt durch die §§ 373 ff. HGB). Demgegenüber gilt im Bereich der sog. Lieferkette ein Rechtsregime, das von den allgemeinen Bestimmungen erheblich abweicht und zwar insbesondere bei der Mängelhaftung (zu dieser Aufspaltung des Handelskaufrechts siehe nur Schubel, JZ 2001, 1113, 1116). Der Klärung bedarf daher zunächst, ob die vertraglichen Beziehungen zwischen E und G den allgemeinen Vorschriften oder dem speziellen Lieferkettenregime der §§ 478 f. unterliegen.

2. Zur Anwendung der §§ 478 ff. BGB

Aus § 478 Abs. 1 i.V.m. § 474 Abs. 1 ergibt sich, dass die besonderen Lieferketten-Bestimmungen dann auf einen zwischen Unternehmern abgeschlossenen Kaufvertrag über eine bewegliche neu hergestellte Sache Anwendung finden, wenn der gewerbliche Käufer die Kaufsache an einen Verbraucher weiterveräußert und dieser Verbraucher später Ansprüche wegen der Mangelhaftigkeit der Kaufsache erhoben hat.

a) Ein Aktenschrank ist zweifellos eine bewegliche Sache, fraglich kann allerdings – insb. wegen der zwischenzeitlich durchgeführten Reparaturen und der langen Zwischenlagerzeiten – sein, ob es sich beim Schrank um eine neu hergestellte Sache handelt. Aus der Regelung des § 479 Abs. 2 Satz (fünfjährige Maximalfrist für die Ablaufhemmung der Verjährung) erschließt sich, dass längere Zwischenlagerzeiten nach Ansicht des Gesetzgebers einer Ware offenbar nicht die Eigenschaft "neu hergestellt" nehmen sollen. Mit letzterer Kennzeichnung soll lediglich – so die Erläuterung der Gesetzesbegründung – der Verkauf gebrauchter Sachen von der Anwendung der §§ 478 f. ausgenommen werden und dies deshalb, weil bei solchen Sachen keine geschlossenen Lieferketten vorliegen, welche allein eine Anwendung der besonderen Bestimmungen rechtfertigen könnten (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 248). Zwar wird der Begriff "gebrauchte Sachen" weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung näher bestimmt, aus den referierten Erläuterungen der Begründung lässt sich jedoch schlussfolgern, dass die §§ 478 f. jedenfalls dort (und wohl nur dort) zur Anwendung kommen, wo eine – nicht durch Benutzungen von einiger Relevanz – unterbrochene Lieferkette vom Hersteller bis zum Endverbraucher vorliegt. Nach den Angaben des Sachverhalts handelt es sich beim Aktenschrank deshalb um eine neu hergestellte Sache.

b) Aus § 474 Abs. 1 ergibt sich, dass die Vorschriften der §§ 478 f. nur dann Anwendung finden, wenn der gewerbliche Käufer die Kaufsache an einen Verbraucher weiteräußert. Gemäss § 13 ist ein Verbraucher eine natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der keiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann. R erwirbt den Schrank, um in diesem seine (private) Briefmarkensammlung unterzubringen. Er wird mithin eindeutig als Verbraucher tätig. Fraglich ist allerdings, ob nicht deshalb ausnahmsweise etwas anderes zu gelten hat, weil der Verkäufer (E) offenbar davon ausgeht, R wolle den Schrank im Rahmen seiner (unterdessen eingestellten) selbständigen beruflichen Tätigkeit nutzen, also gerade keinen Verbrauchsgüterkauf abschließen. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut (§ 474 Abs. 1 i.V.m. § 13; vgl. auch Art. 1 Abs. 1 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie, RL 1999/44, ABl. L 171/12, 14) kommt es insoweit aber nicht auf die subjektiven Vorstellungen des Verkäufers über die Verbraucher- oder Unternehmer-Eigenschaft seines Vertragspartners an. Ebenso ist nach der gesetzlichen Regelung ohne Bedeutung, dass der R im konkreten Fall mit dem Aktenschrank eine Sache erwirbt, die üblicherweise im Rahmen einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit genutzt wird, also nicht Gegenstand eines Verbrauchsgüterkaufs wird.

Ergebnis: Das Vertragsverhältnis zwischen G und E unterliegt dem besonderen Lieferketten-Regime der §§ 478 f.

II. Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten in Höhe von 120 €

Einen Anspruch des E gegen den G auf Ersatz der Reparaturkosten in Höhe von 120 € könnte sich aus § 478 Abs. 2 ergeben. Ein solcher Anspruch setzt zunächst voraus, dass zwischen E und G ein wirksamer Kaufvertrag besteht, wobei sowohl der E als G als Unternehmer im Sinne von § 14 Abs. 1 tätig geworden sein müssen (dazu bereits unter I.1). Ferner müsste G dem E eine mangelhafte Sache geliefert haben; schließlich muss E dem R gegenüber gemäss § 439 Abs. 2 zur Übernahme der Reparaturkosten verpflichtet gewesen sein.

1. Mangelhaftigkeit der Kaufsache

Nicht bestreiten lässt sich gewiss, dass bei einem Aktenschrank eine defekte Halteeinrichtung einen Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 darstellt. Soweit die Reparaturkosten anteilig auf das Verkleben des Furnierschadens entfallen, müsste dieser Schaden ebenfalls einen Sachmangel bilden. Auch hiervon ist auszugehen (vgl. unter III.1 b). Um Mängelhaftungsansprüche des E hervorzurufen, müssten die Mängel allerdings bereits beim Gefahrübergang von G auf E vorhanden gewesen sein. Grundsätzlich könnte hiervon zumindest in Hinblick auf die defekte Halteeinrichtung ohne weiteres ausgegangen werden, weil dieser Mangel bereits beim M aufgetreten ist; er konnte durch die von G veranlasste (erste) Reparatur offenbar nicht endgültig beseitigt werden. Allerdings bestreitet G das Vorliegen von Mängeln beim Übergang der Gefahr auf den E. Dem E, der an sich die Behauptung des G widerlegen, also das Vorliegen von Mängeln bei Gefahrübergang beweisen müsste, könnte jedoch die Vorschriften der §§ 478 Abs. 3 i.V.m. § 476 helfen: Sollten sich die Mängel innerhalb von 6 Monaten nach Übergang der Gefahr auf den Verbraucher gezeigt haben, würde auch im Verhältnis zwischen G und E vermutet werden, dass die Mängel bereits beim Übergang der Gefahr von G auf E vorhanden gewesen sind. Hierauf wird sogleich zurückzukommen sein (unter I.2).

2. Von E dem R gegenüber zu tragende Nacherfüllungsaufwendungen

a) Zum Problem

Gemäss § 478 Abs. 2 kann ein gewerblicher Wiederverkäufer von seinem Lieferanten Ersatz derjenigen Aufwendungen verlangen, die er im Verhältnis zum Verbraucher nach § 439 Abs. 2 zu tragen hatte. Diese Regelung wiederum verpflichtet den Verkäufer eines Verbrauchsgüterkaufs zur Übernahme der zum Zweck der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, womit auf den gesetzlichen Nacherfüllungsanspruch des Käufers gemäss § 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 Bezug genommen wird. Der Anspruch des § 478 Abs. 2 ist vom Gesetzgeber geschaffen worden, um zu verhindern, dass die erhöhten Kosten eines verbesserten Verbraucherschutzes allein von den Einzelhändler getragen werden müssen; sie sollen an das "Glied in der Lieferkette" durchgereicht werden können, das die Mangelhaftigkeit der Kaufsache letztlich zu verantworten hat (hierzu BT-Drs. 14/6040, S. 247, 248 f.; H. P. Westermann, NJW 2002, 241, 252). Auch aus diesem gesetzgeberischen Ansatz lässt sich schlussfolgern, dass der Einzelhändler nur diejenigen Kosten gegenüber seinem Lieferanten liquidieren darf, zu deren Übernahme er von Rechts wegen verpflichtet gewesen ist. Befriedigt er vermeintliche Ansprüche des Verbrauchers bloß aus Kulanz, kann er seinen Lieferanten insoweit nicht in Regress nehmen (so ausdrücklich BT-Drs. 14/6040, S. 248, 249). Es bedarf daher der Prüfung, inwieweit der E dem R gegenüber zur Übernahme der Reparaturkosten verpflichtet gewesen ist.

Sogleich abzulehnen ist hier allerdings die im Schrifttum vertretene Auffassung, erst mit einer rechtskräftigen – den Einzelhändler zur Befriedigung der Verbraucheransprüche verpflichtenden – Entscheidung stehe (endgültig) fest, dass der Händler nicht nur aus Kulanz gehandelt habe (so Bereska, ZGS 2002, 59, 60): Der Einzelhändler ist verpflichtet, Mängelhaftungsansprüche des Verbrauchers möglichst zügig zu befriedigen, er darf den Verbraucher insoweit keinesfalls hinhalten (vgl. nur Schubel, JuS 2002, 313, 317); u.U. kann der Verbraucher sogar Schadensersatzansprüche wegen Verzögerung der Nacherfüllung erlangen (hierzu Schubel, JuS 2002, 313, 319). In dieser Situation muss der Einzelhändler einen gewissen Beurteilungsspielraum besitzen (sowohl hinsichtlich des ob der Nacherfüllung, als auch hinsichtlich deren konkreten Art und Weise), ansonsten würden ihn die gesetzlichen Regelungen – entgegen der ausdrücklich bekundeten Absicht des Gesetzgebers – mit einem hohen Kostenrisiko belasten (einerseits drohen Schadensersatzansprüche des Verbrauchers, andererseits der Ausfall beim Lieferanten wegen vorgeblicher Kulanz).

b) Anspruch des R gegen E auf Übernahme der Reparaturkosten

aa) Der Nacherfüllungsanspruch des R gegen den E aus §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 setzt lediglich einem wirksamen Kaufvertrag zwischen beiden voraus – hieran ist nach den Angaben des Sachverhalts nicht zu zweifeln – sowie die Mangelhaftigkeit der Kaufsache. G verbindet den Kulanz-Vorwurf mit der Behauptung, die aufgetretenen Mängel seien durch eine unsachgemäße Benutzung des Schrankes durch den R entstanden. Der Klärung bedarf daher, ob E die herausgebrochene Halteeinrichtung und die Furnierschäden möglicherweise vorschnell als Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 anerkannt hat. Da das Vorliegen eines Mangels beim Gefahrübergang grundsätzlich vom Käufer bewiesen werden muss, könnte E (dem G gegenüber) verpflichtet gewesen sein, von R einen entsprechenden Nachweis zu verlangen. Jedoch kommt beim Verbrauchsgüterkauf der Käufer in den Genuss der Beweislastumkehr des § 476 (vgl. unter II.1). Allerdings hat R die Mangelhaftigkeit der Kaufsache erst nach Ablauf von sechs Monaten (1.3. – 10.9.) bei E geltend gemacht. Dies hindert die Anwendung des § 476 aber nicht, denn der Wortlaut der Regelung stellt eindeutig auf das Auftreten des Mangels ab und nicht auf seine Geltendmachung. R muss lediglich nachweisen, dass die Mängel in der Sechs-Monate-Frist aufgetreten sind. Zu einem solchen Beweis wäre er aber ohne weiteren in der Lage, da die Halteeinrichtung am 25.8. im Beisein mehrerer Zeugen herausgebrochen und auch der Furnierschaden in diesem Zusammenhang entdeckt worden ist. E hätte deshalb nur versuchen können, die Vermutung des § 476 zu widerlegen; dem Sachverhalt lassen sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte entnehmen, auf die sich ein solches Unterfangen stützen ließe.

Aus diesen Feststellungen ergibt sich zudem, dass über die Regelung der §§ 478 Abs. 3, 476 auch im Verhältnis zwischen G und E die Mangelhaftigkeit der Kaufsache bei Gefahrübergang vermutet wird (vgl. unter II.1).

bb) R hat demnach einen Anspruch auf Nacherfüllung, wobei er gemäss § 439 Abs. 1 berechtigt ist, zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung auszuwählen. Aus dem Sachverhalt ergibt sich nicht, ob er dieses Wahlrecht tatsächlich ausgeübt hat; hierauf kommt es jedoch auch nicht an, da er offensichtlich mit der Reparatur des Schrankes zumindest einverstanden ist. E ist zwar grundsätzlich nach § 439 Abs. 2 verpflichtet, die Reparaturkosten zu tragen, doch hat er gemäss § 439 Abs. 3 das Recht, eine vom Käufer ausgewählte Nacherfüllungs-Variante zu verweigern, wenn diese nur mit unverhältnismäßigen Kosten realisiert werden kann. Unzweifelhaft gewährt § 439 Abs. 3 dem Verkäufer nur eine Einrede; dieser kann mithin auch auf eine Weise nacherfüllen, die für unverhältnismäßige Kosten sorgt. Zwar dürfte ein Verkäufer seinem Lieferanten gegenüber verpflichtet sein (eventuell aus § 242 oder aus § 254 Abs. 1 analog), von einer bestehenden Einredemöglichkeit auch tatsächlich Gebrauch zu machen, um nicht eine anteilige Kürzung des Rückgriffanspruchs aus § 478 Abs. 2 zu riskieren (vgl. Büdenbender in: Dauner-Lieb u.a.(Hrsg.), Das neue Schuldrecht, § 8 Rn. 91). Doch können dem Sachverhalt keine Hinweise darauf entnommen werden, dass die Reparaturkosten in Höhe von 120 € gemessen an Aspekten wie dem Wert der Sache im mangelfreien Zustand oder der Bedeutung der Mängel (vgl. § 439 Abs. 3) tatsächlich unverhältnismäßig gewesen sind.

3. Zwischenergebnis

Da E im Verhältnis zu seinem Abnehmer (R) verpflichtet gewesen ist, die Reparaturkosten zu übernehmen, kann er nach § 478 Abs. 2 von seinem Lieferanten (G) Ersatz dieser Nachbesserungsaufwendungen verlangen, denn es wird gemäss § 478 Abs. 3 i.V.m. § 476 vermutet, dass die Kaufsache bereits beim Gefahrübergang von G auf E mangelhaft gewesen ist. Ohne Belang für den Regressanspruch des E ist, dass die Reparaturarbeiten nicht von ihm persönlich, sondern durch den T vorgenommen worden sind. Beim Verbrauchsgüterkauf ist der Verkäufer nicht nur berechtigt, sondern u.U. sogar verpflichtet für die Abwicklung der Nachbesserung auf die sachkundige Hilfe Dritter zurückzugreifen (vgl. Bitter/Meidt, ZIP 2002, 2114, 2122 f.).

4. Verjährung

Allerdings könnte der Anspruch des E aus § 478 Abs. 2 zwischenzeitlich verjährt sein.

a) Grundsätzlich verjähren nicht nur die Rechte des Käufers wegen der Mangelhaftigkeit der Kaufsache (§ 437), sondern auch der Rückgriffsanspruch aus § 478 Abs. 2 in zwei Jahren und zwar, ab Ablieferung der Sache (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2, § 479 Abs. 1). Nach den Angaben des Sachverhalts ist zu unterstellen, dass G den Aktenschrank am 1.9.2002 an E geliefert hat; die zweijährige Verjährungsfrist endet mithin mit Ablauf des 1.9.2004. Da E erst am 10.9.2004 von R über die Mängel informiert wird, ist es ihm nicht möglich, seinen Ersatzanspruch aus § 478 Abs. 2 innerhalb des Zwei-Jahresfrist des § 479 Abs. 1 geltend zu machen.

b) Jedoch regelt § 479 Abs. 2 – gerade um eine derartige "Regressfalle" des Einzelhändlers zu vermeiden – für die Verjährung der Rückgriffsansprüche eine besondere Ablaufhemmung: Die Verjährung der Ansprüche des Einzelhändlers aus den §§ 437 und 478 Abs. 2 tritt hiernach frühestens zwei Monate nach dem Zeitpunkt ein, in dem der Einzelhändler die Ansprüche des Verbrauchers befriedet hat. E hat den Aktenschrank nach dem 10.9.2004 reparieren lassen; wegen § 479 Abs. 2 ist sein Anspruch aus § 478 Abs. 2 gegen G am 30.9.2004 noch nicht verjährt.

c) Allerdings verkürzen die – von E akzeptierten – Lieferbedingungen des G die Gewährleistungsfristen auf ein Jahr. Generell kann eine solche Regelung im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen wirksam durch AGB getroffen werden; dies belegt bereits die gesetzliche Vorschrift des § 309 Nr. 8 b) ff). Diese Regelung findet auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr zwar keine direkte Anwendung (§ 310 Abs. 1); ist aber vom Gesetzgeber gerade mit Blick auf diesen Bereich getroffen worden. Die Ansprüche des E wegen der Mangelhaftigkeit der Kaufsache wären demnach längst verjährt.

d) Im Bereich des besonderen Lieferketten-Regimes gelten jedoch auch insoweit spezielle Vorschriften: Gemäss § 478 Abs. 4 kann vor Mitteilung eines konkreten Mangels lediglich dann eine wirksame Vereinbarung getroffen werden, die von den Regelungen der §§ 478 Abs. 1 bis 3 und 479 zum Nachteil des Unternehmers (gemeint ist der Einzelhändler) abweicht, wenn dem Einzelhändler gleichzeitig ein gleichwertiger Ausgleich eingeräumt wird. Dem Sachverhalt lassen sich keine Hinweise darauf entnehmen, dass G dem E für die Verkürzung der gesetzlichen Gewährleistungsfristen gemäss § 479 irgendeinen Ausgleich eingeräumt hat. Nach § 478 Abs. 4 kann sich deshalb G dem E gegenüber nicht auf die Verkürzung der Gewährleistungsfristen durch seine Lieferbedingungen berufen. Der Anspruch des E aus § 478 Abs. 2 ist folglich noch nicht verjährt.

5. Verletzung der Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten

a) Zum Problem

Nach den Angaben des Sachverhalts handelt es sich bei G und E offenbar um Kaufleute (§ 1 HGB), so dass auf den zwischen Ihnen abgeschlossenen Vertrag auch die Vorschriften über den Handelskauf zur Anwendung kommen (§§ 343, 373 ff. HGB). E wäre demnach gemäss § 377 Abs. 1 HGB verpflichtet gewesen, den Aktenschrank auf Mängel zu untersuchen und entdeckte Mängel unverzüglich zu rügen. Sehr zweifelhaft erscheint allerdings, ob E die verdeckten Mängel tatsächlich entdecken konnte, da diese auch von R erst nach einer längeren Benutzung erkannt worden sind. (Den Furnierschaden hatte ja auch G beim Erwerb des Schrankes von M nicht entdeckt; ebenso ging G offenbar davon aus den Schaden an der Halteeinrichtung endgültig beseitigt zu haben.)

Allerdings verpflichtet § 377 Abs. 3 HGB den E zudem, später entdeckte Mängel zu rügen; E musste demnach den G über die von R entdeckten Mängel informieren und zwar unverzüglich. Dem Sachverhalt kann nicht sicher entnommen werden, ob E dieser Verpflichtung nachgekommen ist oder etwa nicht: Am 10.9.2004 erfährt E durch R von den Mängeln; am 30.9.2004 verlangt er von G den Ersatz der Reparaturkosten und des Minderungsbetrages. Sollte E nicht bereits vor dem 30.9.2004 dem G gegenüber gerügt haben, so käme die dann in der Geltendmachung von Mängelhaftungs-Rechten liegende Rüge des E verspätet, denn an die "Unverzüglichkeit" i.S.v. § 377 HGB werden allgemein strenge Anforderungen gestellt (vgl. BGHZ 93, 338, 348; Staub/Brüggemann, § 377 HGB, Rn. 81, 104); 20 Tage wären zweifellos nicht mehr unverzüglich. Da sich G beim Abschluss des Kaufvertrages nicht an die "Vorgeschichte" des Aktenschrankes erinnert hat, ist auch ein Eingreifen der Vorschrift des § 377 Abs. 5 auszuschließen.

b) Rechtsfolgen einer möglichen Rügepflichtverletzung

Unterstellt man, der E habe seine Rügeobliegenheit verletzt, so hätte dies an sich zur Folge, dass er seine sämtlichen Rechte wegen der Mangelhaftigkeit der Kaufsache gegen G verlieren würde (§ 377 Abs. 3 letzter Halbsatz), folglich auch den Rückgriffsanspruch aus § 478 Abs. 2. Ein solches Ergebnis erscheint zumindest auf den ersten Blick unangemessen:

aa) Die strengen Rechtsfolgen, die eine Rügepflichtverletzung nach sich zieht, lassen sich lediglich mit dem besonderen Interesse des (gewerblichen) Verkäufers rechtfertigen, sehr rasch über mögliche Ansprüche des Vertragspartners Klarheit zu erlangen (vgl. nur BGHZ 101, 49, 53). Über dieses Interesse setzen sich die neuen gesetzlichen Vorschriften der §§ 478, 479 jedoch in einer kaum noch zu überbietenden Weise hinweg, was sich ohne weiteres am konkreten Sachverhalt illustrieren lässt: G hat dem E eine Sache verkauft, die üblicherweise nicht Gegenstand eines Verbrauchsgüterkaufs wird. Er konnte deshalb davon ausgehen, dass die Verkürzung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist durch seine Lieferbedingungen einschränkungslos wirksam wird und dass es auch innerhalb dieser Frist Sache des E sein würde, das Vorliegen von Mängeln beim Gefahrübergang zu beweisen. Die §§ 479 Abs. 2 i.V.m. 478 Abs. 4 nehmen auf dieses Vertrauen des G keinerlei Rücksicht und verpflichten diesen, innerhalb einer Maximalfrist von fünf Jahren (§ 478 Abs. 2 Satz 2) mögliche Ansprüche des E zu erfüllen, wobei zudem die Beweislastumkehr des § 476 eingreifen kann – im Extremfall wird also einem Verkäufer, der davon ausgeht, sämtliche Ansprüche seines Vertragspartners seien bereits seit vier Jahren verjährt, zugemutet, die Mangelfreiheit einer vor fast fünf Jahren gelieferten Kaufsache nachzuweisen! Wenn die gesetzliche Regelung das Interesse eines gewerblichen Verkäufers, rasch Klarheit zu erlangen, einerseits für so wenig schützenswert hält, dann scheint es andererseits widersinnig zu sein, den Vertragspartner bei einer relativ geringfügigen Verzögerung der Weitergabe von Informationen über die Mangelhaftigkeit der Kaufsache (also für eine unwesentliche Verlängerung des Schwebezustands) mit dem Verlust sämtlicher Ansprüche zu "bestrafen". Nahe liegt deshalb offenbar eine teleologische Reduktion von § 377 HGB, nach der die Vorschrift nicht zur Anwendung kommt, soweit es unter der Geltung des besonderen Lieferketten-Regimes um die unverzügliche Weitergabe von Informationen über verdeckte Mängel von Kaufsachen geht, die erst beim Verbraucher entdeckt worden sind.

bb) Fraglich ist jedoch, ob der Raum für eine solche teleologische Reduktion des § 377 HGB überhaupt vorhanden ist (vgl. zur Voraussetzung der "planwidrigen Gesetzeslücke" als Voraussetzung jeder ergänzenden Rechtsfortbildung Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 473; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. A, S. 370 ff.; Schmalz, Methodenlehre, 4. A., S. 127). Der Schuldrechtsmodernisierungs-Gesetzgeber hat nämlich ursprünglich die Absicht gehabt, die handelskaufrechtliche Untersuchungs- und Rügeobliegenheit im Rahmen des besonderen Lieferkettenregimes fast vollständig abzuschaffen (siehe die Vorschrift des § 378 HGB in der Fassung des Regierungsentwurfes vom 9.5.2001, sowie die entsprechenden Erläuterungen der Entwurfsbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 249, 281). Nach heftiger Kritik des rechtswissenschaftlichen Schrifttums (vgl. nur Ernst/Gsell, ZIP 2001, 1389, 1400 f.; v.Sachsen Gessaphe, RIW 2001, 721, 732 f.) und des Bundesrats (BR-Drs. 338/1/01, S. 92 f.; vgl. auch BT-Drs. 14/6857, S. 40 f.) ist der Gesetzgeber von diesem Vorhaben abgegangen, was auch durch die Vorschrift des § 478 Abs. 6 belegt wird. Allerdings bezog sich die Kritik an den Regelungen des Regierungsentwurfs ausschließlich auf die vollständige Aufgabe der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit bei der Lieferung der Kaufsache vom Hersteller zum Großhändler bzw. vom Großhändler zum Einzelhändler im Nachhinein, d.h. für den Fall, dass die mangelhafte Kaufsache letztlich doch noch zu einem Verbraucher gelangt ist. Auch die Erläuterungen der Gesetzesbegründung belegen (BT-Drs. 14/6040, S. 249, 281; 14/ 6857, S. 40 f.; 14/7052, S. 199, 211), dass der hier interessierende Fall (die rasche Weitergabe von Informationen über verdeckte Mängel, die erst bei der Benutzung vom Verbraucher entdeckt werden können, also den Fall des § 377 Abs. 3 HGB) nicht beachtet worden ist.

cc) Doch sollte auch insoweit die Rügepflicht nicht vorschnell aufgegeben werden. Die gesetzlichen Regelungen räumen demjenigen Vorlieferanten in der Lieferkette, der letztlich die Nacherfüllungsaufwendungen zu tragen hat (regelmäßig wird dies der Hersteller sein), nämlich keinerlei Möglichkeiten ein, auf die entstehenden Kosten direkt Einfluss zu nehmen. Anzuerkennen ist jedoch ein legitimes Interesse der Hersteller, die Nacherfüllungskosten zumindest indirekt steuern zu können, z.B. dadurch, dass sie den Einzelhändler über die jeweils effektivste Art und Weise der Nacherfüllung informieren oder benötigte Ersatzteile möglichst rasch und kostengünstig zur Verfügung stellen u.a.m. (vgl. zur Schadensabwendung als Zweck der §§ 377 f. HGB BGHZ 101, 49, 53). Dies setzt allerdings voraus, dass der Hersteller ohne größeren Zeitverzug über das Auftreten von Mängeln bei seinen Produkten informiert wird – eine entsprechende Verpflichtung der anderen Lieferketten-Glieder lässt sich auf § 377 Abs. 3 HGB stützen.

III. Anspruch auf Erstattung des Minderungsbetrages

1. Entstehung des Anspruchs

E könnte nach § 437 Nr. 2, 441 berechtigt sein, den G gezahlten Kaufpreis wegen des Furnierschadens zu mindern.

a) Nach den Angaben des Sachverhalts ist zwischen E und G ein wirksamer Kaufvertrag abgeschlossen worden; vgl. schon unter I.1.

b) Der Furnierschaden stellt einen Sachmangel i.S.v. von § 434 Abs. 1 dar, weil davon ausgegangen werden kann, dass E und G die Lieferungen eines furnierschadenfreien Schrankes vereinbart haben. Zwar behauptet G, mangelfrei geliefert zu haben, doch ist dieses Bestreiten ohne Belang, weil E insoweit in den Genuss einer Beweislastumkehr kommt (§§ 478 Abs. 3 i.V.m. 476; vgl. hierzu unter II.2. b): Nicht E muss das Vorhandensein der Furnierschäden bei Lieferung des Schrankes nachweisen, sondern G die Mangelfreiheit bei Gefahrübergang.

c) Da § 441 auf die Voraussetzungen für die Ausübung des Rücktrittsrechts und damit auch auf § 323 Abs. 1 verweist, ist generell auch der Minderung begehrende Käufer verpflichtet, dem Verkäufer eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen, was diesem die Chance einer zweiten Andienung eröffnet. E hat dem G bislang noch keine Nachfrist gesetzt, doch ist er hierzu auch nicht verpflichtet, da das Verhältnis zwischen E und G dem besonderen Lieferketten-Regime unterliegt (vgl. unter I.). Die Vorschrift des § 478 Abs. 1 erlaubt es dem E, die Rechte aus § 437 auszuüben, ohne seinem Lieferanten zuvor eine Nachfrist gesetzt zu haben.

Allerdings setzt die Anwendung von § 478 Abs. 1 insoweit voraus, dass sich E im Verhältnis gegenüber R die Minderung des Kaufpreises gefallen lassen musste. E darf einem entsprechenden Begehren des R mithin nicht nur aus Kulanz zugestimmt haben; R muss zur Minderung berechtigt gewesen sein (vgl. etwa AnwaltKomm/Büdenbender, § 478 Rdn. 32). Noch wenig geklärt ist, ob der Einzelhändler hiernach seinem Vorlieferanten gegenüber verpflichtet ist, im Verhältnis zum Verbraucher sein Recht auf eine zweite Andienung wahrzunehmen und auf diese Weise das Minderungsbegehren des Verbrauchers "abzuwehren" (und wenn ja, welche Anforderungen an die Erfüllung dieser Verpflichtung zu stellen sind – erste Überlegungen finden sich hierzu bei AnwaltKomm/Büdenbender, § 478 Rdn. 33). Im konkreten Fall hat E den T mit der Beseitigung des Furnierschadens beauftragt, doch war es dem T offenbar nicht möglich, den Schaden vollständig zu beseitigen. Zu weitergehenden Anstrengungen dürfte E auch dem G gegenüber nicht verpflichtet gewesen sein, zumal R wegen § 440 womöglich weitere Nachbesserungsversuche ohnehin nicht hinnehmen musste.

2. Verjährung

E kann sein Minderungsrecht ungeachtet der Vorschrift des § 438 Abs. 5 und der Verkürzung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist durch die Lieferbedingungen des G noch ausüben, denn die Regelung des § 478 Abs. 4 verweist (pauschal) auf § 479 und damit auch auf die Ablaufhemmung für die Verjährung der Mängelhaftungs-Rechte aus § 437; zu den Einzelheiten vgl. unter II.4.

3. Verletzung der Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten

Da es sich bei den Furnierschäden offensichtlich um einen verdeckten Mangel gehandelt hat, könnte dem E lediglich vorgeworfen werden, den von R geltend gemachten Mangel nicht rechtzeitig gegenüber G gerügt zu haben. Insoweit ist auf die Ausführungen hinsichtlich der defekten Halteeinrichtung zu verweisen (vgl. unter II.5).

4. Zur Höhe des Minderungsbetrages

Fraglich ist allerdings, ob E eine Minderung in Höhe von 50 € begehren kann. Gemäss § 441 Abs. 3 Satz 1 ist bei einer Minderung der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in mangelfreien Zustand zu dem wirklichen Sachenwert gestanden haben würde. Es ist also immer auf den im einzelnen Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis abzustellen. Soweit ein Einzelhändler die vom Großhandel bzw. Hersteller bezogene Ware zu einem höheren Kaufpreis weiterveräußert (dies dürfte regelmäßig der Fall sein), ist er nicht ohne weiteres berechtigt, die dem Verbraucher gewährte Minderung an den Großhändler "weiterzureichen". Ein solches Recht gewährt auch § 478 Abs. 1 nicht. E kann deshalb vermutlich den mit G vereinbarten Kaufpreis lediglich um einen Betrag von weniger als 50 € mindern; der Sachverhalt erlaubt hierzu jedoch keine näheren Festlegungen. Für diesen Fall könnte (prinzipiell) erwogen werden, dass E in Höhe der Differenz zwischen den beiden Minderungsbeträgen ein Schadensersatzanspruch gemäss §§ 437 Nr., 280, 281 gegen G zustünde. Ein solcher Anspruch würde jedoch daran scheitern, dass G mangelhafte Lieferung (insoweit) nicht zu vertreten hat, weil den Wiederverkäufer nach Auffassung des Gesetzgebers nur im Ausnahmefall eine Verpflichtung zur eingehenden Untersuchung der Kaufsache trifft (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 210).

Aufgabe 2: Ansprüche G gegen M

I. Anwendbares Recht

Bei M und G handelt es sich um Unternehmen i.S.v. § 14 Abs. 1. Der zwischen ihnen abgeschlossene Kaufvertrag, an dessen Wirksamkeit nach den Angaben des Sachverhalts nicht zu zweifeln ist, markiert ein weiteres Glied in der Lieferkette, an deren Ende der Verbraucher R steht (vgl. hier Aufgabe 1, unter I.). Gemäss § 478 Abs. 5 finden deshalb die besonderen Regelungen der §§ 478 f. auch auf das vertragliche Verhältnis zwischen G und M Anwendung.

II. Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Reparatur der Halteeinrichtung

Gemäss § 478 Abs. 2 und 5 könnte G berechtigt sein, von M den Ersatz der an E gezahlten Kosten für die Reparatur der Halteeinrichtung zu verlangen. Fraglich ist allerdings, ob die defekte Halteeineinrichtung im Verhältnis zwischen M und G einen Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz darstellt, denn die Lieferung des Aktenschrankes mit einer defekten Halteeinrichtung ist zwischen beiden ja ausdrücklich vereinbart worden. Doch selbst wenn die defekte Halteeinrichtung als Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 anzusehen wäre, könnte G insoweit wegen § 442 Abs. 1 Satz 1 keine Ansprüche geltend machen, da ihm dieser Mangel bei Vertragsschluss bekannt gewesen ist.

III. Ersatz des Minderungsbetrages und der Kosten für das Verkleben des Furnierschadens

1. Entstehung des Rechts zur Minderung des Kaufpreises

Nach § 478 Abs. 1 u. 5 könnte G berechtigt sein, den mit M vereinbarten Kaufpreis zu mindern, ohne dem M zuvor eine Nachfrist setzen zu müssen (vgl. Aufgabe 1, unter III.1 c). Aus § 478 Abs. 2 u. 5 könnte sich ferner ein Anspruch des G auf Ersatz des Teiles der Reparaturkosten ergeben, die auf das Verkleben des Furnierschadens entfallen. Beides setzt allerdings voraus, dass es sich bei dem Furnierschaden auch im Verhältnis zwischen M und G um einen Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 handelt. Hiervon ist nach den Angaben des Sachverhalts auszugehen, denn G war beim Erwerb des Schrankes zwar die defekte Halteeinrichtung bekannt, nicht aber der (verdeckte) Furnierschaden. Hinsichtlich des Furnierschadens stehen dem G mithin grundsätzlich die Mängelhaftungs-Rechte aus § 437 und auch der Rückgriffsanspruch aus § 478 Abs. 2 zu.

2. Vollständiger Ausschluss der Mängelhaftungs-Rechte?

Allerdings haben M und G vereinbart, sämtliche Rechte des G wegen der Mangelhaftigkeit des Aktenschrankes sollten ausgeschlossen sein. Da sowohl M als auch G Unternehmen i.S.v. § 14 Abs. 1 sind (und deshalb insb. § 475 Abs. 1 hier nicht zur Anwendung kommt) können sie auf dem Wege einer individualvertraglichen Vereinbarung an sich den vollständigen Ausschluss sämtlicher Mängelhaftungs-Rechte wirksam vereinbaren. Da die Lieferkette jedoch (später) beim Verbraucher R endet und das vertragliche Verhältnis zwischen M und G damit (nachträglich) dem besonderen Lieferketten-Regime unterstellt wird, ist gemäss § 478 Abs. 5 auch die Vorschrift des § 478 Abs. 4 zu beachten: M könnte sich lediglich dann auf die zum Nachteil des G von § 437 und § 478 Abs. 2 abweichende Vereinbarung berufen, wenn er dem G hierfür einen gleichwertigen Ausgleich eingeräumt hätte.

Fraglich ist, ob der deutlich reduzierte Kaufpreis für den Aktenschrank als ein derartiger Ausgleich angesehen werden kann. Hier könnte einerseits argumentiert werden, der Preisnachlass habe lediglich ein Äquivalent für die defekte Halteeinrichtung bilden sollen; dann hätte M dem G keinen gleichwertigen Ausgleich für den vollständigen Verzicht auf die Mängelhaftungs-Rechte eingeräumt. Folglich könnte sich M nicht auf die Vereinbarung berufen. Andererseits ließe sich der Preisnachlass (allgemein) in Beziehung zur Ausschluss-Vereinbarung setzen, dann könnte der Preisnachlass eventuell einen gleichwertigen Ausgleich bilden.

3. Verjährung

Geht man davon aus, dass sich M wegen § 478 Abs. 4, 5 nicht auf die Ausschluss-Vereinbarung berufen kann, so könnte G das Minderungsrecht und den Regressanspruch ungeachtet der § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5, § 479 Abs. 1 noch immer ausüben, da gemäss § 479 Abs. 3 auch im Verhältnis zwischen M und G die Ablaufhemmung des § 479 Abs. 2 Anwendung finden würde (vgl. Aufgabe 1, II.4).

4. Höhe des Minderungsbetrages

Die konkrete Höhe der Minderung müsste auch im Verhältnis zwischen M und G gesondert bestimmt werden (vgl. hierzu Aufgabe 1, unter III.4).

IV. Ergänzende Schadensersatzansprüche?

Prinzipiell könnte erwogen werden, dass G die Differenz des Minderungsbetrages, den E ihm gegenüber geltend machen kann, und der Minderung, die G von M erhält, auf der Grundlage der §§ 437 Nr. 3, 280, 281 als Schaden M gegenüber liquidieren darf. Anders als G selbst (vgl. Aufgabe 1, unter 3.4) hätte M als Hersteller die Lieferung eines Furniermängel-behafteten Schrankes wohl auch zu vertreten (§ 280 Abs. 1 Satz 2). Entscheidend ist jedoch, dass die (individualvertragliche) Vereinbarung zwischen M und G über den Ausschluss sämtlicher Gewährleistungsrechte insoweit nicht unwirksam ist, wie es um einen Ausschluss von Schadensersatzansprüchen geht (§ 478 Abs. 4 Satz 2).

 

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