Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
 

Lösung Übungsfall 3

I. Anspruch des A auf Nacherfüllung gemäss § 437 Nr. 1, 439 BGB

1. Wirksamer Kaufvertrag

Ein Nacherfüllungsanspruch des A gegen den F setzt zunächst voraus, dass zwischen beiden ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist; der Sachverhalt gibt insoweit keinerlei Anlass für Zweifel.

2. Mangelhaftigkeit der gelieferten Kaufsache

Ferner müsste das verkaufte Mountainbike bei Gefahrübergang mit einem Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 BGB behaftet gewesen sein. Auf das Vorliegen eines solchen Mangels deutet der Bruch des Fahrradrahmens hin. Allerdings ist zu beachten, dass der Rahmenbruch erst mehr als zwei Jahre nach dem Kauf aufgetreten ist und dies, obwohl der A das Mountainbike in der Zwischenzeit offenbar sehr häufig benutzt hat. Es kann deshalb wohl nicht völlig ausgeschlossen werden, dass der Bruch nicht auf einen Mangel zurückzuführen ist, welcher der Kaufsache bereits bei Gefahrübergang angehaftet hat, sondern auf eine extreme (Über-)Beanspruchung des Materials. Grundsätzlich hätte A als Käufer zu beweisen, dass die Kaufsache bereits bei Gefahrübergang mit einem Mangel behaftet gewesen ist. Abweichendes könnte sich allerdings aus der Äußerung des F ergeben, der beim Abschluss des Kaufvertrages betont hatte, er sei bereit, dem A Garantie zu geben. Die rechtliche Bedeutung dieser Aussage bedarf näherer Analyse.

3. Exkurs: Garantiehaftung

Der Begriff "Garantiehaftung" soll hier zunächst "untechnisch" gebraucht werden, und zwar zur Zusammenfassung derjenigen Ansätze des neuen Kaufrechts, welche zu einer über das Normalmass hinausgehenden Haftung des Verkäufers führen können. Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum wird hervorgehoben, das Rechtsinstitut der "Garantiehaftung" sei für das neue Recht kaum systembestimmend (Westermann, NJW 2002, 241, 248), und einige behaupten sogar, die Schuldrechtsmodernisierung habe die vielfältigen Ansätze für eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung, die sich im Verlauf eines ganzen Jahrhunderts auf der Grundlage des alten BGB herausgebildet hätten, dem unitarischen Prinzip der Verschuldenshaftung geopfert (so Brüggemeier/Reich, BB 2001, 213, 220). Derartige Einschätzungen sind aber wohl etwas voreilig, denn die vorhandenen Ansatzpunkte und vor allem die von ihnen (möglicherweise) ausgehende "Fernwirkung" für die weitere Entwicklung des Kaufrechts sollten nicht unterschätzt werden:

a) (Selbständige) Haltbarkeitsgarantie - §§ 443, 477 BGB

Der Gesetzgeber hat in der Regelung des § 443 Abs. 1 BGB unterschiedliche Erscheinungsformen von Garantien zusammengefasst, was das Verständnis der Norm erschwert (zur Entstehung von § 443 Abs. 1 BGB vgl. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 372, Rdn. 174). Die größte praktische Bedeutung dürfte insoweit die sog. selbständige Haltbarkeitsgarantie des Herstellers besitzen – dies schon deshalb, weil zur Zeit die großen deutschen Discount-Handelsketten anscheinend Druck auf ihre Zulieferer ausüben, derartige Garantien zu gewähren (und zwar ganz offensichtlich mit dem Ziel, Kunden, die Sachmängel geltend machen, auf die Herstellergarantie verweisen zu können.) Die Haltbarkeitsgarantie wird von § 443 Abs. 1 BGB dahingehend definiert, der Verkäufer oder ein Dritter (regelmäßig wird dies der Hersteller sein) garantiere, "dass die Sache für eine bestimmte Dauer eine bestimmte Beschaffenheit behält". Zur besseren Abgrenzung der Haltbarkeits- von der Beschaffenheitsgarantie wäre es wohl besser gewesen, davon zu sprechen, der Hersteller garantiere, dass während einer bestimmte Zeitdauer keine Sachmängel auftreten.

Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass Hersteller-Haltbarkeitsgarantien i.S.v. § 443 BGB freiwillig abgegeben werden, unterliegt ihre nähere Ausgestaltung – auch unter dem neuen Kaufrecht – der Privatautonomie. Allerdings sind von Art. 6 Abs. 2 und 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bestimmte Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung und die Form der Garantieerklärung aufgestellt worden. Da es sich hierbei nach Ansicht des Gesetzgebers, um spezielle Regelungen mit ausgesprochenen Verbraucherschutzcharakter handelt (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 238), sind diese Vorschriften in § 477 BGB umgesetzt worden; sie gelten also nur für den Verbrauchsgüterkauf i.S.v. § 474 Abs. 1 BGB. Für sämtliche Haltbarkeits-Garantien gilt dagegen § 443 Abs. 2 BGB: Zeigt sich während der Geltungsdauer der Garantie ein Sachmangel, so wird vermutet, dass er die Rechte aus der Garantie begründet; mit anderen Worten: es wird (zumindest vorerst) also nicht darauf abgestellt, in welchem Zustand sich die Kaufsache bei Gefahrübergang befunden hat. Der Garantiegeber kann diese Vermutung selbstverständlich widerlegen, vor allem durch den Nachweis, dass die aufgetretene Benutzungs- oder Funktionsstörung nicht auf einen der Kaufsache anhaftenden Sachmangel, sondern auf eine unsachgerechte Behandlung der Ware durch den Käufer u.ä. zurückzuführen ist.

b) (Gesetzliche) "Quasigarantie" - § 476 BGB

Mit der Vorschrift des § 476 BGB wollte der deutsche Gesetzgeber Art. 5 Abs. 5 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie umsetzen; die Regelung deshalb gilt zunächst nur für den Verbrauchsgüterkauf; über die Vorschrift des § 478 Abs. 3 BGB findet die Regelung des § 476 BGB dann aber auch im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen Anwendung, soweit dieser Geschäftsverkehr zum sog. Lieferkettenbereich gehört. Der rechtsdogmatischen Konstruktion nach enthält § 476 BGB eine bloße Beweislastumkehr, dennoch wird die Vorschrift im rechtswissenschaftlichen Schrifttum mitunter als "Quasigarantie" bezeichnet (so z.B. M.Schwab, JuS 2002, 1, 6) – in der Sache könnte der Vorsatz "Quasi" aber auch weggelassen werden (vgl. auch Westermann, NJW 2002, 241, 247, der § 476 BGB als zwingende Anordnung einer unselbständigen Garantie beschreibt):

Die Vermutung greift nämlich nur dann nicht, wenn sie "mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist". In diesen Fällen kommt es also nicht zu einer Umkehr der Beweislast, doch trägt der Verkäufer die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen dieser Ausnahmeregelung (vgl. nur AnwaltKomm-SchuldR/Büdenbender, § 477 Rdn. 13) – die Gesetzesbegründung selbst verweist insoweit allerdings nur auf gebrauchte Sachen, bei denen schon wegen des sehr unterschiedlichen Abnutzungsgrades kein allgemeiner Erfahrungssatz bestehe, der generell der Vermutung zugrunde liege, sowie auf Tierkrankheiten, bei denen der Zeitraum zwischen Infektion und Ausbruch der Krankheit häufig ungewiss sei (BT-Drs. 14/6040, S. 245).

Selbstverständlich steht es dem Verkäufer auch in allen anderen Fällen offen, die Vermutung zu widerlegen, also den Beweis anzutreten, dass der Mangel bei Gefahrübergang noch nicht vorhanden gewesen ist – wobei er sich in manchen Fällen gewiss auch auf allgemeine Erfahrungssätze berufen kann (z.B. wenn der Käufer eines Neuwagens am Tag nach dem Kauf mit einem total verbeutelten Fahrzeug vorfährt, dessen Schäden offenbar aus dem Zusammenstoss mit einer Betonwand herrühren). Regelmäßig wird es demnach beim Versuch, die Vermutung des § 476 BGB zu widerlegen, um den Nachweis gehen, dass bestimmte Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit nicht auf der Sache anhaftende Mängel zurückzuführen sind, sondern auf eine unsachgemäße Benutzung durch den Verbraucher. Mit einem solchen Nachweis kann sich aber im Regelfall auch der Geber einer Haltbarkeitsgarantie befreien (vgl. unter a). Trotz erheblicher Unterschiede bei der rechtsdogmatischen Konstruktion bewirken die Haltbarkeitsgarantie i.S.v. §§ 443, 477 BGB und die "Quasigarantie" des § 476 BGB sehr ähnliche praktische Folgen.

c) "Beschaffenheitsgarantie" - § 276, 442, 444 BGB

Obwohl in § 443 BGB auch die "Garantie für die Beschaffenheit einer Sache" erwähnt wird, muss die Beschaffenheitsgarantie konsequent von der Haltbarkeitsgarantie unterscheiden werden (so auch Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 372, Rdn. 173 f.). In der Beschaffenheitsgarantie leben nämlich in gewisser Weise die – berühmt-berüchtigten – Eigenschaftszusicherungen der §§ 459 Abs. 2, 463 Satz 1 BGB a.F. weiter: Hier geht es also um ein vom Verkäufer (in eher seltenen Fällen auch vom Hersteller) abgegebenes Versprechen, für bestimmte Eigenschaften der Kaufsache (bzw. für eine bestimmte Beschaffenheit der Ware) verschuldensunabhängig einstehen zu wollen. In diesem Sinne wird der Begriff Garantie in den §§ 276, 442, 444 BGB gebraucht.

4. Zwischenergebnis - Verjährung

Die Erklärung des F, er wolle dem A Garantie geben, ist vor dem Hintergrund der Begrifflichkeit des Gesetzes auslegen. Bei genauer Betrachtung scheint der F jedoch den Begriff "Garantie" eher in einer umgangssprachlichen Weise gebraucht zu haben. Hierauf deutet insbesondere der Verweis des F auf die zweijährige gesetzliche Gewährleistungsfrist hin. Offenbar war es weder Absicht des F eine (selbständige) Haltbarkeitsgarantie abgeben – in den §§ 443 und 477 BGB wird keine Zweijahresfrist erwähnt – noch wollte F dem A versprechen, für bestimmte Eigenschaften des Mountainbikes verschuldensunabhängig einzustehen. Nahe liegt dagegen die Absicht des F, die gesetzliche Gewährleistungsfrist von zwei auf drei Jahre zu verlängern.

Folgt man dieser Ansicht, so müsste A zwar die Mangelhaftigkeit der Kaufsache bei Gefahrübergang nachweisen (da F offenbar den geltend gemachten Mangel nicht als solchen zurückweist, ist im folgenden hiervon auszugehen); dafür wären die Mängelrechte des A aus den §§ 437 ff. BGB aber auch noch nicht verjährt. A steht demzufolge grundsätzlich ein Nacherfüllungsanspruch aus § 437 Nr. 1, § 439 BGB zu.

5. Berechtigte Verweigerung der Nachbesserung?

Die Vorschrift des § 439 Abs. 1 BGB berechtigt A zwischen Mangelbeseitigung und Ersatzlieferung auszuwählen. Offenbar begehrt A zunächst eine Reparatur des Mountainbike; zumindest ist er jedoch mit der Vornahme eines Reparaturversuches einverstanden. Von F wird allerdings sofort vorgebracht, eine Spezialschweißung sei zu teuer, auch kenne er niemanden, der hierzu in der Lage sei. Während das letztere Vorbringen F nicht von seiner Verpflichtung befreit, könnte er mit dem Verweis auf die hohen Kosten berechtigterweise die Einrede des § 439 Abs. 3 BGB ausgeübt haben. Ob tatsächlich ein Fall des § 439 Abs. 3 BGB vorliegt lässt sich an Hand der Sachverhalts-Angaben nicht sicher entscheiden. Da A aber nicht auf einer Reparatur besteht, ist im folgenden davon auszugehen, dass die hohen Schweißkosten F zur Verweigerung der Mängelbeseitigung berechtigen.

6. Ausschluss der Ersatzlieferung wegen starker Abnutzung der Kaufsache?

Verweigert der Verkäufer eine Variante der Nacherfüllung wegen unverhältnismäßiger Kosten (zu Recht), so beschränkt sich der Nacherfüllungsanspruch des Käufer auf die verbleibende Alternative der Nacherfüllung. A ist demnach im Grundsatz berechtigt, die Lieferung eines neuen Rades des gleichen Modells zu verlangen. Allerdings hat A das Mountainbike bereits über einen längeren Zeitraum be- und abgenutzt. Hier ließe sich argumentieren, es laufe auf eine ungerechtfertigte Bevorzugung des Käufers hinaus, könne dieser in einem solchen Fall nochmals die Lieferung einer neuen Kaufsache verlangen. Zwar setzt der Nachlieferungsanspruch nach dem Wortlaut des § 439 Abs. 1 BGB nicht voraus, dass die zunächst gelieferte Kaufsache noch relativ unbenutzt ist, doch liegt scheinbar eine teleologische Reduktion der Vorschrift nahe: Die Berechtigung des Käufers, bei Mangelhaftigkeit der Kaufsache eine Ersatzlieferung verlangen zu dürfen, könnte ausgeschlossen, "wenn unabhängig von dem Mangel eine wesentliche Verschlechterung der Ware eingetreten ist" (so explizit § 151 Abs. 3 ZGB-DDR).

Für eine solche Rechtsfortbildung fehlt jedoch unter der Geltung des neuen BGB-Schuldrechts der Raum, denn der Gesetzgeber hat sich nachweisbar für ein anderes Modell entschieden: § 439 Abs. 4 BGB verweist für den Rückgewähr der mangelhaften Kaufsache bei Ersatzlieferung auf die §§ 346 – 348 BGB, welche die Rechtsfolgen des Rücktritts regeln und die alte Alles-oder-Nichts-Lösung der §§ 350 ff. BGB a.F. durch eine einheitliche Wertersatzpflicht ersetzen (vgl. nur Kaiser, in: Westermann (Hrsg.), Das Schuldrecht 2002, S. 190 ff.). Gemäss § 346 Abs. 1 BGB hätte A bei der Lieferung eines neuen Mountainbikes das alte Rad zurückzugewähren und die gezogen Nutzungen herauszugeben (vgl. auch die Erläuterungen der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 233, die insoweit noch hervorhebt, die Mangelhaftigkeit der Sache dürfe bei der Bemessung der Gebrauchsvorteile nicht unberücksichtigt bleiben).

Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum ist allerdings bereits die Ansicht geäußert worden, keinesfalls sei der Käufer verpflichtet, dem Verkäufer gemäss § 439 Abs. 4 i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB Nutzungsersatz für den Gebrauch der mangelhaften Sache zu leisten. Da dem Käufer von Anfang an eine mangelfreie Leistung zugestanden hätte, er aber lediglich eine mangelhafte Leistung erhalte habe, passe die rücktrittsrechtliche Pflicht zur Nutzungserstattung hier nicht. Der Verweis des § 439 Abs. 4 BGB müsse deshalb entsprechend teleologisch reduziert werden (so Anwaltskomm-Schuldrecht/Büdenbender, § 439 Rdn. 16).

7. Unmöglichkeit einer Ersatzlieferung?

Obwohl sich dem Sachverhalt nicht entnehmen lässt, dass eine Ersatzlieferung schon deshalb ausscheidet, weil das konkrete Mountainbike-Modell überhaupt nicht mehr produziert wird, ist dennoch fraglich, ob dem A überhaupt ein Ersatzlieferungsanspruch zustehen kann. A hat nämlich in gewisser Weise ein "Einzelstück" erworben: das letzte Mountainbike eines ganz bestimmten Modells, das F seinerzeit in seinem Geschäft vorrätig gehabt hat. Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum ist aktuell höchst umstritten, ob auch bei einem Stückkauf der Verkäufer unter gewissen Umständen zur Lieferung einer neuen Sache verpflichtet sein kann (einen eingehenden Überblick über den Streitstand gibt Ackermann, JZ 2002, 378, 379 in Fußn. 3).

Bei der Beantwortung dieser Frage ist m.E. von der Feststellung auszugehen, dass bei jenen (Verbraucher-)Kaufverträgen, die dem Leitbild des neuen Kaufrechts entsprechen, das Leistungsinteresse des Käufers typischerweise durch die Lieferung einer Ersatzsache befriedigt werden kann (vgl. auch Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2119). Nach Art. 3 Abs. 2 und 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und § 439 Abs. 1 BGB soll der Käufer zudem gerade bei diesen Verträgen berechtigt sein, zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung auszuwählen. Die Interessen des Verkäufers bleiben insoweit nicht unbeachtet; sie werden jedoch auf einem – im Gesetz speziell geregelten – Weg (und wohl nur auf diesem Weg) berücksichtigt: Der Verkäufer ist zu einer mit unverhältnismäßigen Kosten verbundenen Ersatzlieferung nicht verpflichtet. Die These vom generellen Ausschluss der Ersatzlieferung beim Stückkauf ist geeignet, dieses gesetzliche Modell zu "torpedieren", denn es ließe sich mit Blick auf den jeweiligen konkreten Vertragsabschluss, vergleichsweise häufig der Standpunkt vertreten, bei genauer Betrachtung handle es sich um einen Stückkauf (allerdings ist durchaus fraglich, ob beim Selbstbedienungskauf, aber auch beim typischen "Kaufhauskauf" überhaupt ein Stückkauf vorliegt; so auch mit Blick auf den Selbstbedienungskauf Ackermann, JZ 2002, 378, 380 f.). Dass demgegenüber beim Verkauf eines Kunstwerkes oder auch einer gebrauchten Sache eine Ersatzlieferung fast immer ausscheiden wird, bedarf keiner näheren Begründung (dies wird auch von der Richtlinie anerkannt; vgl. den 16. Erwägungsgrund).

Zudem darf nicht übersehen werden, dass die "Stückkauf-These" in vielen Fällen auch den Interessen der Verkäufer widersprechen wird: Das Gesetz will dem Verkäufer generell die Chance einer zweiten Andienung eröffnen. Wäre eine Ersatzlieferung häufig schon aus dogmatisch-konstruktiven Gründen ausgeschlossen, liefe das Recht zur zweiten Andienung immer dann leer, wenn eine Nachbesserung nicht möglich oder dem Käufer nicht zuzumuten ist. Schließlich ist zu beachten, dass beim Verbrauchsgüterkauf i.S.v. § 474 Abs. 1 BGB die gesetzlichen Mängelhaftungsrechte des Käufers nicht wirksam eingeschränkt werden können (§ 475 Abs. 1 Satz 1 BGB) – auf eine Vereinbarung "nur Nachbesserung und keine Ersatzlieferung" könnte sich der Verkäufer später, wenn sich ein Mangel zeigt, nicht berufen, und das Umgehungsverbot des § 475 Abs. 1 Satz 1 BGB würde die Vereinbarung eines Stückkaufes, die (auch nur mittelbar) darauf abzielt, den Käufer auf einen Nachbesserungsanspruch zu beschränken, zweifellos erfassen.

Ein Nachlieferungsanspruch des A ist also nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil er das letzte Mountainbike aus dem (damaligen) Vorrat seines Verkäufers erworben hat. Das Abstellen auf die Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferungskosten erlaubt insoweit flexiblere Lösungen.

8. Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferungskosten

F beruft sich darauf, er habe das von A gekaufte Fahrrad zusammen mit neun anderen Rädern besonders preisgünstig von einem Großhändler erwerben können. Er macht hiermit offenbar geltend, auch eine Ersatzlieferung würde ihn mit unverhältnismäßigen Kosten belasten. Grundsätzlich ist dem Verkäufer gemäss § 439 Abs. 3 letzter Halbsatz BGB durchaus gestattet, beide Varianten der Nacherfüllung wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern. Allein die Tatsache, dass F das an A weiterverkaufte Rad damals besonders günstig erworben hat, reicht nicht aus, um die Unverhältnismäßigkeit darzutun. F müsste belegen, dass heute eine Ersatzlieferung nur zu Kosten realisiert werden könnte, die als unverhältnismäßig anzusehen sind. An Hand der Angaben des Sachverhalts kann diese Frage jedoch nicht sicher entschieden werden.

II. Rückerstattung des Kaufpreises

1. Recht zum Rücktritt ohne Nachfristsetzung nach §§ 437 Nr. 2, 440 Satz 1 1. Alt., 323, 326 BGB

A ist grundsätzlich berechtigt, gemäss den §§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB vom Vertrag zurückzutreten. Zwar muss der Käufer grundsätzlich dem Verkäufer noch eine Frist zur Nacherfüllung setzen, um zu seinem Rücktrittsrecht zu gelangen (§ 323 Abs. 1 BGB); hierzu ist A aber nicht mehr verpflichtet, da aber F bereits beide Varianten der Nacherfüllung wegen Unverhältnismäßigkeit der Kosten verweigert hat (§ 440 Satz 1 1. Alt. BGB – auf die Berechtigung dieser Verweigerungen kommt es nicht an).

2. Kein Ausschluss des Rücktrittsrechts wegen dauerhafter Benutzung der Kaufsache

Obwohl A das Mountainbike bereits über zwei Jahre lang recht intensiv genutzt hat, ist es ihm nicht untersagt, sein Rücktrittsrecht auszuüben: Bereits die Vorschrift des § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB macht deutlich, dass ein Rücktritt nicht einmal dann ausgeschlossen ist, wenn eine Rückgewähr der Kaufsache überhaupt nicht möglich ist (vgl. unter II.6).

3. Zur Rückabwicklung der beiderseitigen Leistungen

Gemäss § 346 Abs. 1 BGB hätte A bei der Lieferung eines neuen Mountainbikes das alte Rad zurückzugewähren und die gezogen Nutzungen herauszugeben. Die genaue Berechnung der Nutzungen wird gewiss in vielen Fällen für erhebliche Auseinandersetzungen sorgen. Erfahrungen hat die Rechtsprechung insoweit bislang lediglich in Hinblick auf Kraftfahrzeuge gesammelt (siehe hierzu etwa Anwaltkomm-Schuldrecht/Hager, § 346 Rdn. 22). Bei der Abwicklung der beiderseitigen Beziehungen muss aber unbedingt berücksichtigt werden, dass der Verkäufer regelmäßig auch den Kaufpreis über einen längeren Zeitraum genutzt hat.

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