Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
 

Lösung Übungsfall 2

I. Vorüberlegungen

Da B und U vereinbart haben, das Einfamilienhaus solle mit einer speziellen Nässe-Isolierung versehen werden, wäre das von U errichtete Haus ohne eine solche Isolierung mit einem Sachmangel i.S.v. § 633 Abs. 2 BGB behaftet. B könnte demnach an sich berechtigt sein, die in den §§ 634 ff. BGB näher geregelten Rechte auszuüben, insbesondere nach § 637 BGB auf dem Wege einer sog. Selbstvornahme die Nässe-Isolierung durch einen anderen Unternehmer (auf Kosten des U) durchführen zu lassen. Ebenso könnte B eventuell die Kosten einer derartigen Maßnahme auf der Grundlage der §§ 634 Nr. 4, 636 i.V.m. 280, 281 BGB als Schaden geltend machen. Beachtet werden muss jedoch, dass B und U den 31.10.2002 als Termin für die Abgabe vereinbart haben, woraus wohl geschlossen werden kann, die Werkleistung solle (erst) zu diesem Zeitpunkt fällig werden. Mitte August 2002 ist die Leistung des U demnach noch gar nicht fällig. Der Klärung bedarf daher zunächst die Frage, ob der Besteller unter bestimmten Umständen bereits vor der Fälligkeit der Werkleistung Rechte aus der Sachmängelhaftung geltend machen kann, wenn davon ausgegangen werden muss, dass der Unternehmer nicht vertragsgerecht leisten wird.

II. Geltendmachung von Mängelrechten vor Fälligkeit?

1. Meinungsstand zum BGB a.F.

Bereits vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsmodernisierung hatten sich die Gerichte mit derartigen Fällen zu beschäftigen, weil gerade bei der Errichtung von Gebäuden nicht nur im seltenen Ausnahmefall schon längere Zeit vor dem – ursprünglich ins Auge gefassten – Abnahmetermin feststeht, dass der Unternehmer nicht vertragsgemäß leisten wird: So vor allem in den Fällen, in denen die Beseitigung des Mangels unmöglich ist oder eine Mängelbeseitigung vom Unternehmer nachdrücklich verweigert wird. Allerdings wird bei der Errichtung von Bauwerken regelmäßig die Anwendung der VOB/B vereinbart, welche für diesen Fall spezielle Bestimmungen treffen (insb. durch § 4 Nr. 7). In den zu diesen VOB/B-Regelungen ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen geht der BGH aber offensichtlich von der Annahme aus, insoweit werde eine grundsätzlich bestehende Befugnis des Bestellers an zusätzliche Voraussetzungen gebunden (vgl. BGH NJW-RR 1986, 1148; NJW-RR 1998, 235). In rechtswissenschaftlichen Schrifttum ist insoweit hervorgehoben worden, verweigere man dem Besteller eine derartige Berechtigung, so drohe eine empfindliche Rechtsschutz-Lücke. Sei der Unternehmer ersichtlich nicht bereit oder fähig, auf berechtigte Mängelrügen zu reagieren, so müsse der Besteller schon vor dem Abnahmetermin disponieren können. Späterhin Rechte geltend machen zu können sei für den Besteller oftmals kein hinreichender Schutz (Staudinger/F.Peters, 13. Bearbt. 2000, § 633 Rdn. 200, § 634 Rdn. 23; vgl. auch Müller-Foell, NJW 1987, 1608 ff.).

2. Meinungsstand im Schrifttum zum neuen Werkvertragsrecht

Soweit in Beiträgen des rechtswissenschaftlichen Schrifttums zum neuen Werkvertragsrecht die Problematik überhaupt angesprochen wird, gehen die Meinungen auseinander: So wird zunächst die Ansicht vertreten, vor dem vereinbarten Fertigstellungstermin könne der Besteller die von § 634 Nr. 2 – 4 BGB aufgezählten Rechte mangels Fälligkeit noch nicht geltend machen (so Sienz, BauR 2002, 181, 184 f.); eine andere Ansicht folgt dem im Grundsatz, meint aber, zum Abnahmetermin könne der Besteller in diesen Fällen eventuell berechtigt sein, seine sämtlichen Mängelrechte auszuüben, ohne dem Unternehmer noch eine Nachfrist setzen zu müssen (so wohl C.Teichmann, in: M.Schwab/Witt, Einführung in das neue Schuldrecht (JuS-Schriftenreihe, im Erscheinen, S. 177 ff.). Schließlich wird die Auffassung vertreten, der Besteller könne Mängelrechte bereits vor der Abnahme ausüben, wenn der Unternehmer seine Leistung nicht vertragsgerecht erbracht habe und offensichtlich sei, dass er die Mängel nicht mehr beseitigen werde (so Palandt/Sprau, Ergänzungsband, Vor § 633 Rdn. 6 f.).

3. Stellungnahme

Der letzteren Ansicht ist zu folgen, denn nur sie ermöglicht sachgerechte Ergebnisse, was sich an Hand des Sachverhalts ohne weiteres demonstrieren lässt: Es wäre wohl schlicht unsinnig, wenn B, der Mitte August sicher sein kann, dass U nicht nachbessern wird, quasi "mit gebundenen Händen" zuschauen müsste, wie U das Haus trotz der fehlenden Nässe-Isolierung weiterbaut, um dann im erst in den Wintermonaten eine nachträgliche (und dann wegen des Baufortschritts noch viel teuere) Isolierung veranlassen zu können. Auch mit dem Hinweis, er müsse am 31.10. wenigstens dem U keine Nachfrist mehr setzen, ist dem B wenig geholfen. Die oben referierten Äußerungen des rechtswissenschaftlichen Schrifttums übersehen zudem die Regelung des § 323 Abs. 4 BGB, die es dem Gläubiger explizit gestattet, bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit zurückzutreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden. Hierzu ist von der Gesetzesbegründung sogar noch einmal ausdrücklich klargestellt worden, dass diese Vorschrift auch im Rahmen der werkvertraglichen Mängelhaftung Anwendung findet (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 262).

Fraglich kann daher nur sein, ob es sich bei § 323 Abs. 4 BGB um eine – auf das Rücktrittsrecht beschränkte – singuläre Regelung handelt (Gläubiger käme zwar vorzeitig vom Vertrag los, aber nur um die Preises eines Verlustes sämtlicher anderer Mängelrechte); hierauf könnte hindeuten, dass bei § 281 BGB, also für den Schadensersatzanspruch, vom Gesetzgeber keine vergleichbare Regelung getroffen worden ist. Im Schrifttum ist insoweit jedoch die Ansicht vertreten worden, ein solcher Schluss lasse sich nicht ziehen, da der Gesetzgeber beabsichtigt habe, die Vorsetzungen für den Schadensersatzanspruch (statt der Leistung) und des Rücktrittsrechts völlig synchron zu regeln. Vorgeschlagen wird deshalb, bei § 281 die Vorschrift des § 323 Abs. 4 BGB analog zur Anwendung zu bringen (so Dauner-Lieb, in: Anwaltkomm-Schuldrecht, § 281 Rdn. 20). Für diese Ansicht spricht, dass die Regelung des § 323 Abs. 4 BGB nach dem Vorbild des Art. 72 Abs. 1 UN-Kaufrecht getroffen worden ist (vgl. hierzu bereits den Abschlussbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts von 1992, S. 170). Erklärt ein Vertragspartner nach Art. 72 Abs. 1 UN-Kaufrecht die Aufhebung des Vertrages so bleibt die Schadensersatzpflicht des Schuldners unberührt; bei der Schadensberechnung ist auf konkreten Umständen gerade der "verfrühten" Vertragsbeendigung abzustellen (Soergel/Lüderitz/Dettmeier, Komm. zum BGB, 13. Aufl. 2000, Art. 72 CISG Rdn. 17). Schließlich ist auch zu beachten, dass der BGH und das rechtswissenschaftliche Schrifttum vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsmodernisierung von der Befugnis des Bestellers ausgegangen sind, die Mängelrechte eventuell bereits vor Eintritt der Fälligkeit geltend machen zu können (vgl. unter II.1), und dass der Gesetzgeber nicht die Absicht gehabt hat, die Rechtsstellung des Bestellers entscheidend zu schwächen.

B ist es mithin nicht generell verwehrt, seine Rechte wegen einer möglichen Mangelhaftigkeit des von U errichteten Hauses bereit vor dem 31.10.2002 auszuüben.

III. Anspruch des B auf Selbstvornahme der Mängelbeseitigung gegen Kostenerstattung

1. Selbstvornahmerecht reicht nicht weiter als Nacherfüllungspflicht des Unternehmers

Da die fehlende Nässe-Isolierung des Hauses eindeutig eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit und damit einen Mangel darstellt (§ 633 Abs. 2 Satz 1 BGB), könnte B gemäss §§ 634 Nr. 2, 637 BGB berechtigt sein, den Mangel selbst zu beseitigen (bzw. einen Dritten hiermit zu beauftragen), wobei U die hierfür erforderlichen Aufwendungen zu erstatten hätte. Gemäss § 637 Abs. 3 BGB könnte B von U sogar einen Kostenvorschuss verlangen.

U hat die Nacherfüllung bereits (mehrfach) ernsthaft und endgültig verweigert; B ist deshalb nicht mehr zum Setzen einer Nachpflicht verpflichtet (§ 637 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Allerdings ist zu beachten, dass das Selbstvornahmerecht des Bestellers aus § 637 BGB nicht weiter reicht als die Nacherfüllungspflicht des Unternehmers: Sollte die Nacherfüllungspflicht des U kraft Gesetz entfallen (§ 275 Abs. 1 BGB) oder U zur Verweigerung der Mangelbeseitigung berechtigt sein (§§ 275 Abs. 2, 635 Abs. 3 BGB), so stünde B also auch kein Selbstvornahmerecht zu (vgl. § 637 Abs. 1 letzter Halbsatz BGB; hierzu z.B. Raab, in Dauner-Lieb u.a., Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, S. 277, Rdn. 53).

2. Wegfall der Nacherfüllungspflicht – § 275 Abs. 1 BGB

Nach § 275 Abs. 1 BGB würde ein Nacherfüllungsanspruch des B kraft Gesetz entfallen, soweit die Nacherfüllung "für den Schuldner oder für jedermann unmöglich" wäre. Diese Vorschrift ist streng auszulegen; sie erfasst lediglich Fälle, in denen die Leistung überhaupt nicht erbracht werden kann (insb. geht es um die physische bzw. naturgesetzliche und um die rechtliche Unmöglichkeit – vgl. AnwaltKomm-SchuldR/Dauner-Lieb, § 275 Rdn. 10 f.). Die nachträgliche Nässe-Isolierung eines Hauses ist dagegen grundsätzlich möglich – sie wird in der Praxis auch durchaus durchgeführt; allerdings ist sie sehr kostspielig. Aber selbst wenn die Isolierung so teuer wäre, dass U die Kosten unter keinen Umständen tragen könnte, so käme § 275 Abs. 1 BGB dennoch nicht zu Anwendung. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich betont: Sei die Leistung theoretisch durchführbar, jedoch nur mit einem völlig unverhältnismäßigen Aufwand, so liege kein Fall des § 275 Abs. 1, sondern ein Fall des § 275 Abs. 2 BGB vor (BT-Drs. 14/6040, S. 129). Dass sich der Schuldner mit Blick auf § 275 Abs. 1 BGB nicht auf ein finanzielles Unvermögen berufen könne, folge ohnehin schon aus allgemeinen Grundsätzen (BT-Drs. 14/7052, S. 183).

3. (Berechtigte) Verweigerung der Nacherfüllung – § 275 Abs. 2, § 635 III BGB

U verweigert die nachträgliche Durchführung der Nässe-Isolierung unter Hinweis auf die sehr hohen Kosten, die eine solche Maßnahme verursacht. In diesem Vorbringen könnte eine Ausübung der Einreden aus § 271 Abs. 2 und/oder § 635 Abs. 3 BGB liegen. Nach § 275 Abs. 2 BGB kann der Schuldner die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnis und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht; gemäss § 635 Abs. 3 BGB kann ein Unternehmer die Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten möglich ist.

Noch weitgehend offen ist, in welchem Verhältnis diese beiden Regelungen zueinander stehen. In der Gesetzesbegründung heißt es, § 275 Abs. 2 BGB stimme inhaltlich mit der Vorschrift des § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. überein (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 265). An ebendiese Regelung knüpft § 635 Abs. 3 BGB aber ebenfalls an, auch wenn diese Norm dem Wortlaut nach mit der parallelen kaufvertraglichen Regelung in § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB abgeglichen worden ist. In der Gesetzesbegründung wird weiterhin betont, § 635 Abs. 3 BGB greife ein, wenn die Nacherfüllung dem Unternehmer dem Unternehmer zwar noch zugemutet werden könne (also kein Fall des § 275 Abs. 2 BGB vorliegt), aber der Mangel nur durch unverhältnismäßig hohe Kosten beseitigt werden könne. Demnach würden die Anforderungen, die an das Vorliegen des Tatbestandes von § 275 Abs. 2 BGB zu stellen sind, (zumindest tendenziell) höher sein als die von § 635 Abs. 3 BGB.

Im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, bei der Abwägung nach § 635 Abs. 3 blieben – anders als bei § 275 Abs. 2 BGB – der subjektive Wert des Werkes für den Besteller und ein (mögliches) Verschulden des Unternehmers unbeachtet (so Palandt/Sprau, 61. Aufl. Ergänzungsband, § 635 Rdn. 12). Abzuwarten ist, ob sich eine derart feine Differenzierung tatsächlich durchsetzt oder ob nicht statt dessen die Vorstellung obsiegt, bei § 635 Abs. 3 handle es sich bloß um eine besondere Ausprägung des § 275 Abs. 2 BGB (dies würde zweifellos den Umgang mit beiden Regelungen erleichtern – sehr fraglich ist auch, ob es für die Bewältigung der praktischen Probleme tatsächlich eines Nebeneinanders von zwei völlig verschiedenen Vorschriften bedarf). Unbedingt ist jedoch auch zukünftig bei der näheren Bestimmung des § 635 Abs. 3 BGB die bisherige Auslegung von § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. zu beachten. Mit anderen Worten: Die Vorschrift des § 635 Abs. 3 BGB beschreibt einen strengeren Maßstab als § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB, weil dem Werkunternehmer insoweit mehr zugemutet werden kann (und im Interesse des Bestellers auch muss), als dem "normalen" gewerblichen Verkäufer, der regelmäßig nur eine vom Vorlieferanten bezogene Ware "weiterreicht".

Unter der Geltung des § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB betonten die Rechtsprechung und das rechtswissenschaftliche Schrifttum weitgehend übereinstimmend, unverhältnismäßig sei lediglich eine Nacherfüllung, bei der der zu erzielende Erfolg oder Teilerfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür mit Sicherheit zu erwartenden Geldaufwands stehe. Im Rahmen der insoweit erforderlichen Gesamtabwägung komme der konkreten Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit des Werkes besondere Bedeutung zu. Hervorgehoben wurde ferner, die Kosten der Mängelbeseitigung dürften den "Wert" des Mangels auch erheblich überschreiten; sie dürften also nur nicht mehr "in keinem vernünftigen Verhältnis" zum Mangel stehen. (vgl. nur BGHZ 96, 111, 123; Staudinger/F.Peters, § 633 Rdn. 192 f.; Soergel/A.Teichmann, 12. Aufl. 1997, § 633 Rdn. 10).

Vor dem Hintergrund dieser Bestimmungsversuche lässt sich feststellen, dass U weder aus § 275 Abs. 2 noch aus § 635 Abs. 3 BGB zur Verweigerung der Nacherfüllung berechtigt ist: Die fehlende Nässe-Isolierung des Hauses könnte bei einem hohen Grundwasserstand alsbald zu aufsteigender Feuchtigkeit oder gar zu Wassereinbrüchen führen, welche die Gebrauchstauglichkeit des Hauses empfindlich und andauernd beeinträchtigen würden. Ein derartiger Mangel rechtfertigt auch eine kostspielige Nachbesserung. (vgl. auch Palandt/Sprau, § 635 Rdn. 10: ein spürbare Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit wird regelmäßig den Einwand ausschließen).

4. Vertragsanpassung wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage?

Der Verweis des U auf die hohen Kosten einer nachträglichen Nässe-Isolierung ließe sich eventuell auch als Geltendmachung des Anspruchs auf Vertragsanpassung wegen einer "Störung der Geschäftsgrundlage" (§ 313 BGB). Noch weitgehend ungeklärt ist allerdings das Verhältnis der Vorschriften des § 275 Abs. 2 und des § 313 BGB (siehe hierzu Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 55; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, S. 208; Anwaltkomm-SchuldR/Krebs, § 313 Rdn. 14 f.). Zurückzuführen sind diese Unklarheiten letztlich auf widersprüchliche Äußerungen der Gesetzesbegründung: Während es dort einerseits heißt, der Maßstab des § 275 Abs. 2 BGB stimme inhaltlich mit dem des § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. überein (vgl. oben unter III.3), wird an anderer Stelle betont, bei § 275 Abs. 2 BGB gehe es um die Fälle, "in denen die Behebung des Leistungshindernisses zwar theoretisch möglich wäre, die aber kein vernünftiger Gläubiger ernsthaft erwarten" könne. Nicht erfasst würden dagegen die Fälle der sog. "wirtschaftlichen Unmöglichkeit" oder der "Unerschwinglichkeit" im Sinne der bloßen Leistungserschwerung für den Schuldner, welche (weiterhin) nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu behandeln seien (BT-Drs. 14/6040, S. 129 f. – der Maßstab des § 275 Abs. 2 wird hier von der Gesetzesbegründung also anders gedeutet als im Zusammenhang mit der Erläuterung von § 635 BGB; er wird in gewisser Weise viel näher an § 275 Abs. 1 "herangerückt". Zu der großen Unsicherheiten in bezug auf den Norminhalt von § 275 Abs. 2 siehe auch Dauner-Lieb, in: dies. u.a., Schuldrecht-Lehrbuch, S. 103 ff. ).

Nach dieser letzteren Deutung (Schlagwort: "§ 275 Abs. 2 nahe an § 275 Abs. 1 BGB")geht es bei § 275 Abs. 2 und § 313 jeweils um völlig verschiedene Fallgruppen, während sich bei dem zuerst dargestellten Deutungsversuch (Schlagwort: "§ 275 Abs. 2 = § 633 Abs. 2 Satz BGB a.F.") die Anwendungsbereiche beider Normen partiell überschneiden würden. Dann müsste man sich über das Verhältnis beider Regelungen eingehendere Gedanken manchen: Nach dem Wortlaut beider Regelung kommt bei § 275 Abs. 2 BGB nur auf das Leistungsinteresse des Gläubigers an, dagegen sind im Rahmen von § 313 BGB auch die Interessen des Schuldners zu berücksichtigen sind (nach Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 55 Rdn. 78, wird bei § 313 das Leistungsinteresse des Gläubigers sogar völlig ausgeblendet; dem ist aber nicht zu folgen, vgl. hierzu die Erläuterungen des Gesetzesbegründung, BT.-Drs. 14/6040, S. 176, sowie Lorenz/Riehm, Schuldrecht, S. 208 Rdn. 408).

Demnach könnte U grundsätzlich einen Anspruch auf Vertragsanpassung gemäss § 313 Abs. 1, 2 BGB geltend machen, obwohl ihm kein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 BGB zusteht (vgl. unter III.3). Im konkreten Fall liegt jedoch kein Fall des § 313 BGB vor, weil die Leistungserschwernis (nachträgliche und deshalb besonders kostspielige Nässe-Isolierung) letztlich auf einen Umstand (Fehlverhalten des Subunternehmers) zurückzuführen ist, der von der Risikoverteilung – so wie sich diese aus dem Vertrag und aus dem Gesetz (insb. §§ 633 ff., § 278 BGB) ergibt – eindeutig der Sphäre des U zugeordnet wird.

5. Kein Selbstvornahmerecht vor Abnahme des Werkes?

Obwohl bereits unter der Geltung des alten Rechts anerkannt gewesen ist, dass dem Besteller unter bestimmten Umständen bereits vor der Abnahme des Werkes Mängelhaftungs-Rechte zustehen können (vgl. oben unter II.1) ist das Selbstvornahmerecht teilweise hiervon ausgenommen worden: An eine eigene Nachbesserungsbefugnis des Bestellers müssten in dieser Phase besonders strenge Anforderungen gestellt werden, weil das Nebeneinander mehrerer an derselben Werkleistung überaus untunlich sei (Staudinger/F.Peters, § 633 Rdn. 200 unter Verweis auf die Argumentation in BGH NJW-RR 1986, 1148 f.). Derartige Erwägungen mögen sehr lebensnah sein; einen generellen Ausschluss des Selbstvornahmerechts rechtfertigen sie aber wohl nicht. Der Besteller sollte nicht vor die Wahl gestellt werden, entweder den Mangel (zumindest vorerst) hinzunehmen oder ganz auf die Tätigkeit des Unternehmers zu verzichten (vgl. hierzu auch Müller-Foell, NJW 1987, 1608 ff.).

IV. Recht des U zum Rücktritt

Will B möglichen Auseinandersetzungen mit U bei der Durchführung der Nacherfüllungsarbeiten ganz vermeiden, so könnte er gemäss § 323 Abs. 4 i.V.m. § 323 Abs. 1 und 2 BGB vom Vertrag zurücktreten. Die Voraussetzungen eines solchen Rücktrittsrechts vor der Fälligkeit liegen vor: U hat die Leistung nicht vertragsgemäß erbracht und eine Nachbesserung ernsthaft und endgültig verweigert.

V. Schadensersatz statt der Leistung

Auch nach einem Rücktritt von Vertrag (vgl. § 325 BGB) könnte B gegenüber U die Nacherfüllungskosten im Rahmen eines Schadensersatzanspruch gemäss §§ 280, 281 BGB (i.V.m. § 323 Abs. 4 BGB analog) liquidieren. U ist insoweit die Pflichtverletzung des Subunternehmers nach § 278 BGB zuzurechnen.

 

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